Die Jungs aus Oslo - Mit Peter und dem Prof auf Verbrecherjagd
Peter und der Prof sind zwei Jungs aus Oslo, die in den
zehn Abenteuern, die sie ihr erleben, zwischen 14 und 16 Jahre alt sind. Sie
wohnen in einem Mietshaus im Stadtteil Torshov, einem typischen Arbeiterviertel.
Ich-Erzähler ist Peter, der die Leser im ersten Band "Die Riesen fallen" (1987)
auch mit den Örtlichkeiten bekannt macht: Der Prof wohnt im ersten Stock,
ich im dritten. In der Bentsebrugata 12 in Torshov, Oslo 4. In einem roten Steinhaus
an einer Straßenecke. Vor dem Haus stehen hohe Birken (
).1
Der Justus Jonas aus Torshov
Prof Erlander ist eine Art norwegischer Justus Jonas- er ist etwas dicklich,
aber auch aufgeweckter, belesener und cleverer als seine Umgebung, mit einem
Hang zur Arroganz: Der Prof wird (
) nicht ohne Grund Prof genannt.
Er ist in allen Fächern spitze - nur nicht im Sport. Da muss er dann zum Ausgleich
völlig passen. Bauch und Hintern sind ihm bei allem im Weg.2
Profs Hobbys sind amerikanische Filme aus den vierziger Jahren und Literatur:
Wenn du dich an eine Filmszene erinnerst und den Prof fragst, wie der Film
geheißen hat, dann weiß er das. Alter Kram ist seine Spezialität. Greta Grabo
und Humphrey Bogart. Alles über Bogart kann er aus dem Ärmel schütteln. Und
dann liest der Prof stapelweise Bücher. Leiht sich von seinem Vater sogar Bücher
über Religion und Philosophie. Aber vor allem steht er auf Krimis. Ich glaube,
er hat alles von Agatha Christie gelesen.3 Peter dagegen ist
der ganz normale Teenager, der lieber an Mädchen und Fußball denkt, um sich
abzulenken, statt sich dann mit philosophischen Büchern oder ähnlichem zu beschäftigen.4
Beide sind jedoch nie um eine Ausrede verlegen und äußerst sympathische Jungs,
denen man einfach nicht lange böse sein kann.
Der Prof hat noch zwei ältere Brüder, Leif und Gøran. In "Flammen im Schnee"
(1992) erfahren wir, dass Gøran 28 Jahre und damit 12 Jahre jünger als der Prof
und Peter ist. Also sind der Prof und Peter 16 - zumindest in dieser Geschichte.
Gøran ist Journalist und arbeitet bei der norwegischen Tageszeitung Dagbladet.
Von Leif wissen wir, dass er schwul ist, mit Gunnar, einem bekannten Fernsehmoderator,
zusammenlebt und selbst in der Verkaufsabteilung einer Computerfirma arbeitet
("Flammen im Schnee"). Wie der Prof jedoch mit Vornamen heißt, ist Ingvar Ambjørnsens
best gehütetes Geheimnis.
Haare bis zum Hintern - Zu Hause bei Familie Pettersen
Peter heißt jedenfalls Pettersen mit Nachnamen und wohnt mit seinen Eltern
- zwei Alt-Achtundsechziger und Ex-Hippies - sowie der jüngeren Schwester Klein
My zusammen. Der Vater ist -mal mehr, mal weniger - erfolgreicher Künstler,
die Mutter arbeitet an der Theaterkasse. Aber lesen wir besser, wie Peter seine
Familie selbst - mehr oder weniger liebevoll und äußerst amüsant - beschreibt:
Mit meiner Familie muss ich dich auch ein bisschen nerven. Leider lässt sich
das nicht umgehen. Himmel, sie könnte ja noch schlimmer sein, aber ganz normal
ist sie jedenfalls nicht. Wenn Mutter und Vater wenigstens normal aussehen könnten!
Vater hat Haare bis zum Hintern und einen wüsten Rauschebart. Und das Schlimmste
ist, wenn ich nach seinem Beruf gefragt werde. In meinem ganzen Leben hat er
keinen einzigen Job länger als vier Monate behalten können. Wie seine meisten
Kumpel gibt er sich als Künstler aus. Künstler! (
) Mutter ist ein bisschen
normaler. Sie hat seit fast zehn Jahren denselben Job. (
) Eigentlich leben
wir von ihrem Gehalt, will mir scheinen. Während wir darauf warten, dass endlich
irgendwer Vaters Supertalent entdeckt. Aber ganz normal ist sie auch nicht.
Sie schmiert sich grünes Ekelzeug in die Haare, das "Henna" heißt, und wenn
sie den Dreck auswäscht, sind ihre Haare davon rot geworden. Und dann wetzt
sie in langen indischen Röcken herum (
).5 Die Jungs in
Peters Klasse nennen seine Eltern deshalb "Alte Hippies". Peter hat keinen
Schimmer, was das heißen soll, aber es hat sicher irgendwas mit 1968 zu tun.
Love & Peace & Co. 68 muss überhaupt ein ganz besonderes Jahr gewesen sein.
Wenn die Alten von diesem Jahr loslabern, krieg ich irgendwie den Eindruck,
dass sich 1968 der Globus plötzlich in eine andere Richtung gedreht hat.6
Der schwule Bruder
Während es bei Peter also immer ein wenig freizügiger und anarchistischer
zugeht, sind Profs Eltern älter und daher auch konservativer. Besonders deutlich
wird dies in "Flammen im Schnee", wo die Homosexualität von Profs Bruder Leif
eine zentrale Rolle beim zu lösenden Fall spielt: Ja, du hast wirklich gut
reden! Deine Eltern sind ja so tierisch cool. Das einzige Tabu bei euch ist
der Widerwille deines Vaters gegen jegliche normale Arbeit. Oben bei euch wuseln
ja alle mit nacktem Hintern durch die Gegend, während ich zum Bleistift meine
Mutter nicht ein einziges Mal nackt gesehen habe!7 Und weiter:
Meine Eltern sind einfach in einer Zeit aufgewachsen, als man über so was
nicht mal geredet hat, und dann kommt ihr ältester Sohn und erzählt, dass er
sich verliebt hat, aber dass es vorerst mies aussieht mit Enkelkindern, weil
sein Schatz einen Schnurrbart und einen Pimmel hat.8
Diese schnodderige Sprache ist typisch für die Peter-und-der-Prof-Krimis. Hier
wird kein Blatt vor den Mund genommen. Im Gegenteil hat Ingvar Ambjørnsen den
Jugendlichen aufs Maul geschaut. Allerdings wirken manche Ausdrücke in der deutschen
Übersetzung nicht sehr authentisch oder zumindest veraltet - der erste Band,
"Die Riesen fallen", wurde schließlich bereits 1988 übersetzt. Dazu gehören
Begriffe und Wendungen wie "Zement mal!", "Verdammte Axt!", "Verdammte Pest!",
"Zum Kranich!", "Butze" (für Hütte, Haus), "Heini" und "Hirni". Sie machen die
Geschichten aber dennoch lebendig und sympathisch. Die Eltern werden konsequent
"mein Alter" bzw. "meine Alte" und "meine Alten" genannt - zumindest diese Ausdrücke
scheinen auch heute noch nicht antiquiert.
Peter, der Prof und die Mädchen
Der Prof hat außerdem (später) eine Freundin, Jorun Olsen. Jorun und der Prof
haben sich am Regal für übersetzte Lyrik kennen gelernt ("Flammen im Schnee").
Der Prof und Jorun haben viele Gemeinsamkeiten. Beide waren ziemlich kluge
Leute. Und beide interessierten sich für so abgelegene Dinge wie amerikanische
Filme aus den vierziger Jahren und Bücher von Leuten, von denen kein Mensch
außer ihnen je gehört hatte.9 Allerdings verliebt sich Jorun
in "Aspahltdichter" (1994) in Jarle, einen Ex-Junkie, der von den Medien als
neuer Dichterheld gefeiert wird. Zwar entpuppt sich der Shootingstar aus dem
Underground im Verlauf der Geschichte als Betrüger, doch Jorun und der Prof
kommen nicht mehr zusammen. Peter dagegen tut sich etwas schwer mit den Mädchen.
In "Verrat auf See" (1995), dem letzten Abenteuer der zwei, lernt er Pia kennen,
doch die wohnt auf Aker Brygge, dem Nobelviertel Oslos. Die beiden trennen Welten
und trotz eines guten Starts bleiben beide am Ende in ihrer Welt, Pia im Vorzeigeviertel
Aker Brygge mit Luxuswohnung und Peter im Mietshaus in Torshov. Zuvor, in "Nach
dem Orkan" (1993), hatte er sich schon völlig hoffnungs- und aussichtslos in
Ashu verliebt, einer Tamilin. Schlepper haben ihr und ihrem Bruder weisgemacht,
dass ihnen in Norwegen ohne weiteres Asyl gewährt wird. Klar, dass Peter und
Prof Ashu helfen müssen, doch leider ist ebenso klar, dass der Staat und die
Paragraphen sich nicht für menschliches Elend interessieren. Ashu wird abgeschoben
noch bevor überhaupt die leiseste Chance auf eine Romanze zwischen ihr und Peter
bestanden hätte.
"Empfehlenswerter, schwulenfreundlicher Jugendkrimi"
Typisch für die Krimis aus der Peter-und-der-Prof-Reihe von Ingvar Ambjørnsen
ist die gesellschaftskritische Tendenz aller Bücher. Die dargestellten kriminellen
Handlungen knüpfen an gesellschaftliche Probleme wie Rassismus und Nazismus,
Drogenhandel und -missbrauch, Prostitution, religiöser Fundamentalismus, Umweltschutz
oder Homosexualität an. Dabei sympathisiert Ingvar Ambjørnsen stets mit den
in der Gesellschaft Gestrauchelten.
Die gesellschaftskritische Ausrichtung der Peter-und-der-Prof-Krimis führt mitunter
dazu, dass Bücher wie "Die blauen Wölfe" (1991) oder "Die Rache vom Himmel"
(1994) auf Seiten wie veganissimo.drei - Das Literaturverzeichnis für Tierrechte
- besprochen werden. Gaybooks findet "Flammen im Schnee" einen "empfehlenswerten,
schwulenfreundlichen Jugendkrimi."
Erfolgsgeschichte "Peter und der Prof"
"Endstation Hauptbahnhof" (1988), "Giftige Lügen" (1989) und "Die blauen Wölfe"
(1991) sind verfilmt worden. Dabei hatte die norwegische Filmförderung zunächst
beschlossen, "Die blauen Wölfe" wegen "geringen Interesses" nicht zu fördern.
Ein wahrer Proteststurm erhob sich; Waschkörbeweise trafen Protestschreiben
der Peter-und-der-Prof-Fans ein, Tausende von Jugendlichen verlangten "ihren
Film", sodass das Geld schließlich doch bewilligt wurde. 1991 erhielt Ingvar
Ambjørnsen zudem vom norwegischen Buchhandel den Preis für das beste Jugendbuch
der 80er Jahre für "Endstation Hauptbahnhof". Doch nach insgesamt zehn Bänden
war sehr zum Bedauern seiner jungen Fans 1995 mit "Verrat auf See" Schluss mit
Peter und dem Prof. Seiner Popularität hat das aber keinen Abbruch getan. Im
Gegenteil. Die Peter-und-der-Prof-Krimis sind auch heute noch äußerst beliebt
in Norwegen - ebenso wie ihr Autor. Ingvar Ambjørnsen zählt zu den meist gelesenen
und populärsten Romanautoren Norwegens.
Du darfst gerne aus unserem Artikel in deinen Hausarbeiten und Referaten zitieren,
aber bitte vergiss nicht, uns als Quelle anzugeben!
Die Titel der Peter-und-der-Prof-Krimis im Überblick |
1987 |
Die Riesen fallen |
1988 |
Endstation Hauptbahnhof |
1989 |
Giftige Lügen |
1990 |
Wahrheit zu verkaufen |
1991 |
Die blauen Wölfe |
1992 |
Flammen im Schnee |
1993 |
Nach dem Orkan |
1994 |
Die Rache vom Himmel |
1994 |
Asphaltdichter - direkt
bestellen |
1995 |
Verrat auf See - direkt
bestellen |
Legende |
1 |
Ingvar Ambjørnsen,
Die Riesen fallen. Frankfurt/Main, u.a.: Sauerländer Verlag, 1988,
S.9 |
2 |
Ebd. S.20 |
3 |
Ebd. |
4 |
Vgl. ebd. S.88 |
5 |
Ingvar Ambjørnsen,
Die Riesen fallen. Frankfurt/Main, u.a.: Sauerländer Verlag, 1988,
S.11ff |
6 |
Ebd. S.13 |
7 |
Ingvar Ambjørnsen,
Flammen im Schnee. Frankfurt/Main, u.a.: Sauerländer Verlag, 1995,
S. 33f |
8 |
Ebd. S.34 |
9 |
Ebd. S.9 |
|