Als Ambjørnsen eines abends spät in Helgeroa saß, konnte
er nicht ahnen, dass ihm gerade die Idee zu Norwegens beliebtester Jugendbuchserie
aller Zeiten gekommen war. Peter Pettersen und der Prof finden immer neue
LeserInnen, und das macht den Autor stolz, schließlich ist der letzte
Band vor 10 Jahren erschienen.
|
|
|
|
|
Der
Autor Ingvar Ambjørnsen |
|
|
Aber was hat dich eigentlich dazu gebracht, nach deinem Erfolg mit "Weiße
Nigger" ein Jugendbuch zu schreiben?
Ja, das hat mich auch selbst überrascht. Wenn ich das richtig in Erinnerung
habe, hatte ich gar nicht vor, für Jugendliche zu schreiben. Aber dann
kam eine düstere, stürmische Nacht ... ich war allein in unserer Hütte
in Helgeroa, Sturm kam auf, und es war einfach schreckliches Wetter, da konnte
ich nicht schlafen. Und dann liest man eben, nicht wahr? Ich lese so gern im
Bett! Und hinten in einem Schrank fand ich neben feuchten Illustrierten einen
ganzen Stapel Bücher über die Hardy-Boys. Diese Serie war ja ungeheuer
beliebt, als ich klein war, und mir fiel ein, wie spannend ich sie damals gefunden
hatte. Ich rieb mir die Hände und freute mich auf eine lange Nacht mit
Frank und Joe und allen anderen, aber ziemlich bald klappte mir das Kinn nach
unten. Die Bücher waren einfach schlecht. Sie waren durch und durch blöd!
Die Hauptpersonen hatten keine Seele und keinen Charakter, und die Handlung
war oft so schwach, dass es einfach eine Zumutung war. Aber vor allem: Die Bücher
waren schlecht geschrieben. Also knallte ich sie an die Wand und beschloss da
und dort, dass ich es besser machen würde. Was natürlich ziemlich
frech war. Aber ich machte mich sofort ans Werk, und als ich das erste Buch,
"Die Riesen fallen", im Verlag ablieferte, bestand ich darauf, dass
auf dem Einband "Nr. 1" stehen sollte. Ich wollte eine Serie schreiben.
Auch wenn ich nicht die geringste Vorstellung davon hatte, wie es weitergehen
sollte. Jetzt merke ich, dass ich damals ein wahnsinniges Selbstvertrauen besessen
haben muss.
In deinen Büchern hast du allerlei gesellschaftliche
Problematiken aufgegriffen, hattest du das von Anfang an vor?
Ja! Ich wollte Themen, die zumindest etwas mit der Wirklichkeit norwegischer
Jugendlicher zu tun hatten. Natürlich ist es absolut unwahrscheinlich,
dass zwei Jungen so viele Abenteuer erleben können wie Peter und der Prof
in diesen Büchern, aber die Themen selber gehören in den norwegischen
Alltag.
Manchmal war es fast ein wenig unheimlich, wenn das Thema eines Buches bei
dessen Erscheinen hochaktuell war. Als "Giftige Lügen" herauskam,
hatten einige Jugendliche gerade aus purem Zufall Giftemissionen entdeckt.
So war es auch bei "Die Rache vom Himmel". Die Zeitungen brachten
damals große Schlagzeilen über Fauna-Kriminalität, wie sie
im Buch eine Rolle spielt, den Schmuggel von Raubvogeleiern und -jungen von
Norwegen nach Deutschland.
Wie hast du die Personen Peter und der Prof gefunden?
Ja, woher kommen literarische Personen?
In einer solchen Serie ist es in der Regel von Vorteil, immer zwei Personen
im Vordergrund zu haben. Auf diese Weise bringt man Dialoge und Tempo in die
Handlung, man lässt die beiden "einander Bälle zuwerfen".
Ich suchte mir also zwei Freunde, die ziemlich verschieden waren, was mir im
Text viele Möglichkeiten gab. Und dann war da noch eins: Ich hatte ja mehrere
Romane für Erwachsene geschrieben, aus ziemlich (oder genauer gesagt reichlich)
freakigen Szenen. Viele von meinen Freunden - alte Haschraucher - hatten Kinder,
die damals vierzehn oder fünfzehn waren. Und was ich reichlich witzig fand,
war, dass fast alle diese Söhne und Töchter ungeheuer spießig
waren.
Als ich selbst jung war, standen wir in Opposition zu unseren kleinbürgerlichen
Eltern, wir zogen uns so schäbig wie möglich an und ließen uns
die Haare lang wachsen. Rauchten Hasch und hörten Musik, die unsere Eltern
entsetzlich fanden. Aber nun konnte es passieren, dass meine Freunde nach Hause
kamen und entdecken mussten, dass ihre Sprösslinge das Hasch ins Klo geworfen
hatten. Kinderlos, wie ich bin, fand ich das natürlich wahnsinnig komisch.
Es war eine Art umgekehrter Aufruhr. Ich beschloss, dass Peter und der Prof
spießig sein sollten, während ihre Eltern aus zwei sehr unterschiedlichen
Szenen stammten. Auf diese Weise hatte ich die ganze Zeit mehrere Saiten, die
ich anschlagen konnte.
Wo wir schon beim Thema sind, wie viel Ingvar steckt eigentlich
in Peters Vater?
Ziemlich viel. (Ich habe sogar zwei Totempfähle geschnitzt). Ich habe
sehr viel Selbstironie in diese Figur gesteckt. Aber um ganz ehrlich zu sein,
ich glaube, er ist ein coolerer Vater, als ich das sein könnte.
Drei von diesen Büchern sind verfilmt worden, wie zufrieden bist du mit
den Filmen?
"Endstation Hauptbahnhof", der erste der drei, war ein großer
Erfolg. Es waren schon lange keine Filme für Jugendliche mehr gedreht
worden, und der Inhalt traf voll ins Schwarze. Liebe, Drogen und fetzige Musik.
Für Menschen, die heute jung sind, ist es schwer, sich vorzustellen,
welche Wirkung dieser Film hatte. Eine halbe Million NorwegerInnen hat ihn
gesehen. Im ganzen Land wurde die Handlung in Schulklassen diskutiert. Wir
bekamen ungeheuer positive Rezensionen, und die Hauptdarsteller wurden über
Nacht zu Stars. Es war der pure Zirkus. Und wo ich schon die Musik erwähnt
habe: Die Dum Dum Boys haben mitgemacht, damals Norwegens einwandfrei beliebteste
Rockgruppe. Alles stimmte. "Endstation Hauptbahnhof" war der beste
der drei Filme.
Nr. 2, "Giftige Lügen", war dagegen eher schwach. Aber der
dritte, "Die blauen Wölfe", kann sich meiner Meinung nach heute
noch sehen lassen.
Die Serie wurde geschrieben, ehe alle Welt ein Mobiltelefon hatte, vor den
Glanzzeiten des Internet, als wir in Norwegen noch mit Zehnörestücken
bezahlen konnten. Überrascht es dich, dass deine Serie noch heute von
Jugendlichen gelesen wird?
Ja und nein. In den letzten Jahren bin ich immer häufiger von Jugendlichen
angesprochen worden, die in der Schule Hausarbeiten über diese Bücher
schreiben. Ich habe dann auch genau danach gefragt. Ob das nicht zu altmodisch
ist. Und die Antwort ist immer wieder, nein, spannende Geschichten werden
nicht unmodern. Und dann fühle ich mich natürlich überaus geschmeichelt.
Natürlich gibt es auch noch viele andere Dinge, die niemals unmodern
werden, wie Freundschaft und Liebe, Verrat und Betrug, und das sind doch allerlei
grundlegende Zutaten, an denen weder Internet noch Mobiltelefone etwas ändern
können.
Auf welches Buch bist du besonders stolz und warum?
Ich glaube, auf "Asphaltdichter". Alle Peter und der Prof-Bücher
sollten natürlich spannend sein, ohne dass ich mich im Genre Kriminalroman
festbeißen wollte. Aber "Asphaltdichter" ist wirklich ein waschechter
Krimi, und einem Plot, dessen ich mich nicht zu schämen brauche.
Doch wenn ich nach den Reaktionen des Publikums im Laufe der Jahre gehe, dann
gibt es keinen Zweifel daran, welches das Lieblingsbuch ist. Ohne Vergleich
"Endstation Hauptbahnhof". Neun von zehn Fragen beziehen sich darauf.
Steht es denn ganz und gar fest, dass es keine weiteren Peter und der Prof-Bücher
geben wird?
Nichts auf dieser Welt steht ganz und gar fest.
Das
Interview führte Glenn Johansen, 2005
- Übersetzt von Gabriele Haefs. Vielen Dank an Ingvar Ambjørnsen
für die Erlaubnis, das Interview zu nutzen.