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Marianne
Fredriksson ist eine der bedeutendsten schwedischen Autoren
der Gegenwart. |
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Ihre Romane - das verraten schon die Titel: "Eva", "Noreas
Geschichte", "Abels Bruder", "Sintflut", "Maria
Magdalena" oder auch "Marcus und Eneides" - variieren immer
wieder eine religiöse Grundthematik. Das erste Buch - "Eva"
- erschien nach der Überwindung einer schweren persönlichen
Krise, und immer wieder erzählte Marianne Fredriksson, dass ihr diese
Frau Eva in einem Traum erschienen sei. Eine Frau, die auf der Suche nach
zu Hause war. Danach sei das Schreiben wie von selbst gegangen. Sie könne
sich nicht daran erinnern, irgendetwas dabei bewusst bestimmt zu haben.
So entstand letztlich mit "Eva" (1980), "Abels Bruder"
(1981) und "Noreas Geschichte" (1983) eine ganze Trilogie, die
"Kinder des Paradies".
In "Sintflut" erzählt Marianne Fredriksson von dem Schicksal
des Schiffsbauern Noah und seiner Familie. Die alte biblische Geschichte
wird hier unter modernen Gesichtspunkten wie dem Verhältnis der Geschlechter
beleuchtet, aber auch Liebe, Angst, Freiheit und Unterdrückung werden
in diesem Roman exemplarisch behandelt.
1985 erschien das Buch "Simon", in dem Marianne Fredriksson
Erinnerungen an ihre eigene Kindheit in Göteborg während des
2. Weltkrieges verarbeitet. Dass das Buch mit Simon einen männlichen
Protagonisten hat, sei auf den Wunsch oder Vorschlag des Verlegers zurückzuführen.
In "Marcus und Eneides" entführt uns Marianne Fredriksson
in die Zeit um Christi Geburt. Cornelia ist mit dem Offizier Salvius verheiratet,
doch glücklich sind sie nicht. Salvius flüchtet vor seiner kaltherzigen
Frau in die Arme der Sklavin Seleme, die bald darauf schwanger wird. Doch
auch Cornelia erwartet nun ein Kind von Salvius. Seleme wird Amme beider
Jungen - Marcus und Eneides. Als Cornelia die Sklavin verkauft, lernt
Marcus das Hassen, das ihn sein Leben lang begleiten wird. Erst als sein
eigener Sohn stirbt, begibt er sich auf eine lange Reise, die ihn zuerst
zu Jesus und dann zu sich selbst führt.
Buchtipp |
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In "Sofia und Anders" tritt das mystische Element, wie es so
kennzeichnend für alle Romane Marianne Fredrikssons ist, in Form
einer Seelenverwandtschaft zwischen Sofia und dem blinden Anders auf.
Das Wunder beginnt während eines Gottesdienstes, in dessen Verlauf
sich das Kirchendach öffnet und Sofia und Anders davon fliegen. Sofias
Großmutter, die sich um das Mädchen kümmert, macht sich
ihre Gedanken über das Wunder und seine Zusammenhänge. Dabei
kommen Familiengeheimnisse an den Tag, die vielleicht lieber im Dunkeln
hätten bleiben sollen. Der Roman prangert Erwachsene an, die nur
an das glauben (können), was sie sehen. "Blindgång",
wie das Buch im Original heißt, fasst daher das Thema des Blindseins
(in verschiedenen Bedeutungen), des Nicht-Sehen-Wollens und -Könnens,
des Anders- und Einzigartig-Seins besser. Es ist auch ein Roman über
die Selbstfindung und den schmerzhaften Weg dorthin.
Damit ist klar, dass auch "Lillemors Rätsel" kein reiner'
oder klassischer' Kriminalroman ist. Eine Leiche in den Wäldern
Östergötlands, eine Leiche, die Lillemors vor Jahren gestorbener
Schwester so ähnlich sieht, löst auch hier neben der Mörderjagd
vor allem eine Suche nach der eigenen Geschichte, nach sich selbst, aus
und führt die Protagonistin bis in ein griechisches Dorf.
1994 erschien in Schweden der Roman, der Marianne Fredrikssons internationalen
Durchbruch bedeuten sollte: "Hannas Töchter". Auch hier
greift die Autorin Autobiographisches auf. Auslöser für den
Roman seien ihre eigene an Alzheimer erkrankte Mutter sowie das Erwachsenwerden
ihrer eigenen Töchter gewesen. So entstand ein Generationenporträt,
in dem sich auch ein Stück westeuropäische Frauengeschichte
widerspiegelt.
1997 kam dann wieder ein Roman, der auf einer biblischen Geschichte beruht:
"Maria Magdalena". In diesem Roman lässt sie die Weggefährtin
Jesu' mit eigenen Worten ihre Geschichte erzählen. Damit ist der
Roman auch die Geschichte über ein weibliches Christentum. Zuvor
hatte Marianne Fredriksson ein intensives historisches und biblisches
Quellenstudium betrieben.
In "Inge und Mira" begegnen sich die schwedische Schriftstellerin
Inge und die aus Chile geflohene Mira zufällig in einer Gärtnerei,
der Beginn einer Freundschaft. Trotz aller Unterschiede verbindet die
beiden Frauen, dass sie die Lebensmitte überschritten haben, von
ihren Männern geschieden und die Kinder längst flügge geworden
sind. Eine Postkarte vom Ex macht für Inge die Vergangenheit wieder
sehr präsent, und auch bei Mira, die während des Militärputsches
Pinochets mit einem linken Revolutionär verheiratet war und von dessen
Schergen sie gefoltert und vergewaltigt wurde, funktionieren die bekannten
Verdrängungsmechanismen nicht mehr. Beide Frauen müssen sich
ihrer Vergangenheit stellen. Damit greift Marianne Fredriksson auf für
sie bekannte Themen zurück, doch ist der Roman im Vergleich zu den
früheren eher schwächer ausgefallen.
In "Geliebte Tochter" zeichnet Marianne Fredriksson das Bild
der jungen, modernen, selbstbewussten Schwedin Katarina nach. Katarina
ist erfolgreiche Architektin, als sie von ihrem amerikanischen Liebhaber
Jack ungewollt schwanger wird. Als sie ihm mitteilt, dass sie das Kind
behalten will, schlägt er sie nieder. Katarina wacht im Krankenhaus
auf und erinnert sich an ihre eigene Kindheit, an ihre Mutter Elisabeth,
die auch von Katarinas Vater geschlagen wurde. Damit setzt auch bei Katarina,
wie bei eigentlich allen Protagonisten der Fredriksson, die Frage nach
den Wurzeln, die Suche nach sich selbst ein. Mutter und Tochter kommen
sich nach Jahren der Entfremdung wieder näher und Katarina erkennt
Zusammenhänge und Muster. "Geliebte Tochter" ist ein Roman,
der mit starken Bildern kraftvoll und beeindruckend erzählt. Dennoch
ist eine Tendenz, die Mutterschaft im Sinne eines radikalen Feminismus
zu verklären und das Mütterliche zum Prinzip schlechthin zu
erklären, nicht zu übersehen. Auch die amerikanische Familie
um Lover Jack ist psychologisch weit weniger klischeefrei geschildert,
als dies an manchen Stellen wünschenswert wäre.
Zweifellos gehört Marianne Fredriksson zu den bedeutendsten schwedischen
Autoren der Gegenwart. Mit ihren Frauenfiguren und Protagonistinnen sowie
den religiös-mystischen Tönen und Motiven steht sie in der Tradition
feministischer Literatur der 70/80er Jahre - doch weist sie auch darüber
hinaus?
Autorin:
Alexandra Hagenguth/
© Januar 2004 - Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur
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