Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde

Interview mit dem Autoren Kjell Eriksson

Ist der Gärtner immer der Mörder?

Kjell Eriksson jedenfalls ist Gärtner mit Mordslust. Am 27. November 2002 stellte er im Forum Paul-Gerhardt-Kirche in Köln seinen Roman "Das Steinbett" vor und fand vorher noch Zeit, im Gespräch mit schwedenkrimi.de über seine Arbeit als Schriftsteller und Gärtner zu sprechen.


Literaturportal schwedenkrimi.de:
Ihr Roman "Das Steinbett" ist bereits der dritte Roman mit Kommissarin Ann Lindell als Hauptperson, ist aber, wie so oft, der erste, der ins Deutsche übersetzt wurde. Was haben die deutschen Leser bisher verpasst?

Kjell Eriksson:
Man bekommt natürlich ein tiefergehendes Bild von den Charakteren, wenn man auch die ersten beiden Bände liest. Schon im ersten Buch wird ja Edvard Risberg eingeführt und man verpasst so Anns und Edvards gemeinsam Entwicklung. Man verpasst außerdem das Bild, das ich von der Landschaft - Uppland und Uppsala - gebe, das Milieu also, in dem Ann arbeitet. Aber man kann die Bücher auch sehr gut für sich allein genommen lesen und der deutsche Verlag hat wohl gedacht, dass der dritte Band den deutschen Geschmack besser trifft. Sie haben aber auch für die anderen beiden Bände die Rechte von mir gekauft und sollte sich "Das Steinbett" gut verkaufen, werden sicher auch die ersten beiden herausgegeben. Es ist im Grunde dasselbe wie mit der Wallander-Serie. Natürlich ist es gut, wenn man die Bücher in einer gewissen Reihenfolge liest, aber man kann auch sehr gut zwischen den verschiedenen Teilen springen und ich glaube, dass haben die deutschen Leser auch getan. Also, das bekümmert mich nicht so sehr.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Sie sagten, dass man auch die Beschreibung der Natur, des Milieus verpasst hat - Wie wichtig ist Ihnen denn die Landschaft, in der die Romane spielen?

Kjell Eriksson:
Der Autor Kjell Eriksson Der Autor Kjell Eriksson
Der Autor Kjell Eriksson
Kjell Eriksson - Foto: Alexandra Hagenguth/schwedenkrimi.de
Die ist natürlich sehr wichtig. Parallel arbeite ich ja auch als Gärtner und das bringt es mit sich,
dass ich eine sehr besondere Beziehung zur Landschaft habe. Außerdem bin ich ja in Uppland, die Gegend rund um Uppsala, aufgewachsen und allein schon deshalb habe ich eine besondere Beziehung zu dieser Landschaft. Nicht unbedingt so, dass ich in Blumennamen, Rosen und Büschen schwelge - das finde ich albern, wenn man auf einem Gebiet sehr gut ist. Damit sprengt man nur das ganze Buch, bloß um sein Können und Wissen zu demonstrieren. Aber natürlich beeinflusst es meine Art zu schreiben, es beeinflusst meinen Blick, wie ich die Landschaft sehe. Oft tue ich es, ohne dabei an das Publikum zu denken. Zum Beispiel schreibe ich in "Das Steinbett" über Ann Lindell wie sie im Wald ist und einen Baum sieht und dabei sehe ich ihn ganz genau vor mir: seine Blätter und Früchte. Viele erleben das als "exotisch" oder als "fantastische Naturschilderung", aber für mich ist es etwas ganz Alltägliches.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Wie würden Sie Ann Lindell für Ihr neues Publikum charakterisieren? Was ist sie für ein Mensch?

Kjell Eriksson:
Ann Lindell ist ein ganz gewöhnliches schwedisches Mädchen. Sie hat sich bei der Polizei beworben, weil sie Ungerechtigkeit hasst, und das ist eigentlich ihre einzige Triebfeder. Sie ist eigentlich nichts Besonderes. Viele rüsten ihre Kriminalkommissare mit ganz besonderen Eigenschaften aus: Sie essen gutes Essen, verstehen was von guten Zigarren usw. Das ist sehr überkultiviert für meinen Geschmack. Aber sie, Ann, ist eigentlich eine ganz gewöhnliche schwedische Frau zwischen 35 und 40, die sich auf ihrer Arbeit wohl fühlt. Sie mag ihren Chef, was in einem Kriminalroman heutzutage schon recht ungewöhnlich ist, aber mit dem Privatleben, da hat sie Probleme.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Wie die meisten anderen auch...

Kjell Eriksson:

Ja, das stimmt. Aber das habe ich nicht bewusst gemacht, das passierte einfach so. Ich glaube auch nicht, dass sie mehr Probleme hat als die meisten von uns. Wir alle haben mal Liebeskummer, wir alle haben mal Eheprobleme. Ann hat keine außergewöhnlichen Probleme. Sie macht ihre Arbeit und es ist nur eine Kleinigkeit, die fehlt - die bei uns allen fehlt, wie ich glaube.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Nun haben Sie Ann Lindell für uns charakterisiert und gesagt, dass sie eine ganz gewöhnliche, junge Frau ist, aber was ist es nun, dass Ann Lindell zu etwas Besonderem macht, dass sie von ihren männlichen Kollegen Van Veeteren, Wallander und Winter unterscheidet?

Kjell Eriksson:
Ich beschreibe eigentlich nicht die Romanfigur Ann Lindell, ich schreibe sie nicht gegen jemand anderen. Es ist nicht so, dass ich dasitze und denke, was würde Kurt Wallander jetzt machen oder was würde Van Veeteren dazu sagen. So denke ich überhaupt nicht! Ich sitze einfach da und schreibe über diese Frau Ann Lindell, die ich sehr mag. Es ist schwer für mich zu sagen, was Ann Lindell von anderen unterscheidet. Ich bin kein bewusster Schriftsteller. Ich konstruiere meine Figuren nicht nach einem bestimmten Plan. Ich weiß auch nie, wie meine Bücher enden. Dieser Roman hier beginnt beispielsweise auf der Dominikanischen Republik: Jemand sieht aus dem Fenster, es regnet. Jemand hat etwas getan, ich weiß noch nicht was. Ich schrieb den Prolog um 3 Uhr nachts und fragte mich, was hat dieser Mann getan, was ist geschehen? 14 Jahre ist er im Takt marschiert, nun will er das nicht mehr, nun wagt er es nicht länger. Und dann fange ich an, das 1. Kapitel zu schreiben: Warum will er nicht länger? Ich weiß es nicht, und es ist mir im Moment scheißegal, Ich schiebe es zur Seite und schreibe statt dessen von seiner Frau, die ermordet wird. So schreibe ich; ich modelliere meine Figuren nicht, sie stolpern im Leben vorwärts, ungefähr so wie du und ich. Es ist mehr so, als ob man einen alten Bekannten auf der Straße trifft und fragt: Hej, wie geht's? Ja, ganz gut! Was machst du jetzt? Ja, ich wollte ins Kino. Nein, komm doch lieber mit mir in die Kneipe und lass uns ein Bier zusammen trinken. - Und dann wird er bei einer Schlägerei in der Kneipe niedergeschlagen und landet im Krankenhaus. So, aus diesen Alltagsbegegnungen heraus, schreibe ich, sehr spontan. Den Verleger macht es wahnsinnig; oft schreibt man ja unter großem Zeitdruck und dann fragt er, wie stellst du dir die Fortsetzung vor und ich antworte: Keine Ahnung!

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Ursprünglich sind Sie Gärtner; als Schriftsteller debütierten Sie zuerst mit Artikeln und Reportagen in der Fachzeitschrift "Lantarbetaren". 1993 erschien das erste Buch "Knäppgöken", gefolgt von "Frihetsgrisen" 1995. Beide Bücher könnte man als "Arbeiterliteratur" beschreiben, wie sie in Schweden eine große Tradition hat - Ich denke z.B. an Harry und Moa Martinson. Warum aber wurde es 1999 plötzlich ein Krimi?

  Kjell Eriksson bei schwedenkrimi.de
Biografie
Interview 2003
Interview 2002
Buchvorstellungen
EXKURS 2005
Rezensionen
Leseprobe
Gedanken
Autoren-Lesungen
Kjell Eriksson:
Das war reiner Zufall. Ich schrieb eine Novelle für die Lokalzeitung - "Hemma i Uppsala" - und die beginnt damit, dass Edvard Risberg im Wald Pilze sammelt. Er findet einen toten Mann unter einer Fichte. Dieser Fund weckt Gedanken und dann endet die Novelle. Da habe ich mir gedacht, dass sich die Geschichte gut in einem Roman fortsetzen ließe. Ich habe mich also gefragt, was man tut, wenn man eine Leiche im Wald findet - Na, man ruft die Polizei. Als ich das schrieb, musste ich wissen, wer ist das da unter der Fichte. Warum liegt er da? Wer hat ihn ermordet? Das sind dieselben Fragen, die auch die Polizei stellt. Dann habe ich mir gedacht, OK, du hast jetzt über einen Mann geschrieben, dann musst du jetzt über eine Frau schreiben. Schließlich habe ich mich immer mehr für die Figuren Ann und Edvard interessiert und ihre Beziehung. Als ich den Debütantenpreis der Schwedischen Krimiakademie bekam, habe ich gar nicht richtig verstanden, dass ich einen Krimi geschrieben habe. Aber natürlich hat mir die Auszeichnung Mut gemacht und so wurde es noch ein Roman und noch einer, obwohl ich mich am meisten dafür interessiere, wie es für Ann und Edvard weitergeht.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Gibt es Berührungspunkte zwischen den beiden Genres? Wenn ja, welche?

Kjell Eriksson:
Man kann das Genre Kriminalroman natürlich benutzen, um über etwas ganz anderes zu schreiben, über die Gesellschaft z.B. und das ist ja auch genau das, was die schwedischen Krimischriftsteller machen. Wenn man einen Puzzle-Krimi im Stile von Agatha Christie schreibt, wird man heutzutage in Schweden nicht sonderlich populär. Aber es gibt in Schweden eine große Tradition gesellschaftskritischer Krimis und das ist eine Tradition, der ich gerne mit voller Überzeugung folge. Genau wie die Arbeiterliteratur handelt dieser Krimi von existentiellen Fragen, von politischen und gesellschaftlichen Fragen, es geht um das innere Leben, wie es aussieht, warum Edvard dies und jenes tut.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Wie sind Sie denn überhaupt zum Schreiben gekommen? Was war der Auslöser, dass Sie den Spaten gegen den Stift getauscht haben?

Kjell Eriksson:
Na ja, ich habe ja den Spaten nicht vollständig gegen den Stift eingetauscht. Ich habe ja noch eine Baumschule und arbeite noch Vollzeit als Gärtner, zumindest im Sommer von April bis Oktober. Aber zum Schreiben bin ich eher zufällig gekommen. Ich rief eine Zeitung an, weil ich fand, dass sie über den Arbeitsplatz, an dem ich gerade war, schreiben sollten. Aber der Journalist hatte keine Lust dorthin rausfahren, aber er sagte, ich könne es ja selbst schreiben. So wurde es schließlich eine Novelle, weil ich da ein bisschen nach meinem Geschmack "lügen" konnte. Nicht so, dass ich Tatsachen verfälscht hätte, aber ich war freier in der Gestaltung. Also schrieb ich diese Novelle, um dem Kerl zu zeigen, wie schwer unsere Arbeit ist. Das habe ich dann für jede neue Stelle, zu der ich kam, getan. Ich schrieb eine Novelle über meinen Arbeitsplatz und der Journalist veröffentlichte sie. Auf diese Weise habe ich das Handwerk des Schreibens trainiert, vor allem das Schreiben in gewöhnlichen Worten, in Alltagssprache. Die erste Novelle war schlicht und ergreifend schlecht, aber so ist es mit allem am Anfang. Am Anfang war ich ja auch nicht besonders gut darin, Rosen zu züchten.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Wie wichtig sind - oder waren - Ihnen literarische Vorbilder wie Ivar Lo Johansson oder Moa Martinson?

Kjell Eriksson:
Die sind sehr wichtig für mich! Ich schreibe sozusagen in einer realistischen Erzähltradition, die sehr stark ist in Schweden. Ich denke z.B. an Sven Delblanc, Kerstin Ekman und Torgny Lindgren, die alle in dieser Tradition stehen. Sie ruhen quasi auf einem Fundament dieser Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, auf einem Fundament an Motiven und Sprache.


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Sie haben einmal gesagt, dass Sie über Ihr Leben als jemand, der hart körperlich arbeitet, schreiben wollten, dass Sie "verändern, aufzeigen, agitieren, neue Worte und Bedeutungen schaffen" wollten. Was würden Sie selbst sagen: Ist es Ihnen gelungen und was davon findet sich in Ihren Kriminalromanen wieder?

Kjell Eriksson:
Nicht so sehr viel vielleicht. Aber was ich mache ist, dass ich in meinen Krimis andere Milieus als die üblichen beschreibe. Wie viele Landarbeiter werden heute in der schwedischen Literatur noch beschrieben? Nicht sehr viele! In den 30er und 40er Jahren schrieben Moa Martinsson und Ivar Lo Johansson zuletzt darüber. All das ist in mir und auf diese Weise kann man vielleicht sagen, dass es das auch noch in meinen Krimis gibt. Ein Rezensent schrieb mal, dass es in meinen Krimis nicht so viele Armanianzüge gäbe, sondern mehr Helly Hansen - grobe Arbeitskleidung also und ich finde, das ist eine richtig gute Rezension!

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Inwiefern beeinflusst überhaupt Ihre Erfahrung harter Körperarbeit Ihre Sprache und Ihre Art zu schreiben?

Kjell Eriksson:
Ich glaube, mein ganzes Aufwachsen, meine Abstammung und meine Klasse beeinflussen mich. Meine Sprache kann man als kunstlos und einfach auffassen. Am Anfang hat mir das Sorgen bereitet, denn wenn man anfängt zu schreiben, hat man eine bestimmte Vorstellung darüber, wie man schreiben sollte. Dann habe ich beschlossen, darauf zu pfeifen. Ich schreibe ungefähr so wie ich spreche und ich schreibe über das, was ich gut kenne: Meine Arbeit und die Menschen, die ich respektiere.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Wieviel bedeutet Ihnen denn die Natur als Inspirationsquelle?

Kjell Eriksson:
Sehr viel. Ich fühle mich in dem Armen zu Hause. Es ist vor allem die Ruhe und Stille in der Natur, die mir wieder Kraft gibt. Ich verstehe all diese Menschen nicht, die durch den Wald spazieren, ohne zu wissen, dass dieser Baum eine Linde ist usw. Ich frage mich, wie deren inneres Leben aussieht. Für mich ist das ganze die Essenz des Seins. Ich krieche da hinein. Man kann so viel in der Natur lesen, sie hat uns so viel zu erzählen.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Zum Schluss, was ist schwieriger? Rosen zu züchten oder einen Roman zu schreiben?

Kjell Eriksson:
Einen Roman! Wenn man die Erde richtig behandelt, antwortet sie recht eindeutig. Die Erde erledigt das meiste von alleine, wenn man nett zu ihr ist. Worte lassen sich nicht auf diese Weise leiten. Rosen sind viel einfacher als Menschen.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Herr Eriksson, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Autorin:
Alexandra Hagenguth/
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