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Literaturportal schwedenkrimi.de: Bevor wir zu Deinem neuen Buch "Tími nornarinnar" kommen, möchte ich gerne noch auf Dein erstes Buch zurückkommen, welches ja auch auf Deutsch veröffentlicht wurde. "Die verschwundenen Augen" ist das erste Buch über Einar, dem Journalisten. Hast Du einen Journalisten als Hauptfigur gewählt, weil Du selbst auch in diesem Metier arbeitest? Árni Þórarinsson: Als ich 1994 die Idee hatte, zu versuchen, die literarische Form der Kriminalromane, genauer gesagt, das so genannte hard-boiled Genre, in die moderne isländische Realität zu übertragen, spürte ich, dass der "Held", der in Wirklichkeit ein "Anti-Held" ist, kein Privatdetektiv sein konnte. Es gab keine Privatdetektive in Island und es konnte auch kein Kriminalbeamter sein, da ich ihre Arbeit und ihre Welt nicht aus erster Hand kannte. Ich wusste viel über Journalisten, ihre Arbeit und ihre Lebensart. So fiel die Wahl naturgemäß aus. Ein Journalist hat einige der gleichen Möglichkeiten in die Welt anderer Menschen einzudringen, wie sie Detektive oder Kriminalbeamte haben. Es ist ihr Job herumzugehen und Fragen zu stellen und Hinweise aufzudecken. Literaturportal schwedenkrimi.de: Du kennst ja die Arbeit in einer Redaktion sehr gut. Hat Dich Deine Arbeit bei der Zeitung "Morgunblaðið" darin beeinflusst, wie Du die Redaktion bei der fiktiven Zeitung "Siðdegisblaðið" beschreibst? Árni Þórarinsson: Ja. Aber ich habe auch in einer Abend- oder Nachmittagszeitung gearbeitet, "Vísir" genannt, die aber schon lange nicht mehr existiert; ihr Geist lebt in einer Zeitung weiter, genannt DV, die bis vor ein paar Monate eine Tageszeitung war und nun eine Wochenzeitung ist. Ich war viele Jahre lang Herausgeber einer wöchentlichen Enthüllungszeitung, genannt "Helgarpósturinn" und für das Magazin "Mannlíf". So kenne ich viele unterschiedliche Redaktionen und sie sind alle Teile von "Siðdegisblaðið". Aber ich habe, natürlich, viele Dinge erfunden, Ereignisse und Personen, die nie existiert haben, außer bei "Siðdegisblaðið". Literaturportal schwedenkrimi.de: Ein Hauptgebiet in Deiner Arbeit als Journalist ist der Film. Du schreibst Filmkritiken, bist in nationalen und internationalen Filmjurys vertreten, schreibst aber auch selbst erfolgreiche Drehbücher. Woher kommt das Interesse für das Kino? Árni Þórarinsson: Ich verliebte mich in den Film in sehr jungen Jahren, als mich meine Eltern ins Kino in Reykjavik mitnahmen, zum Beispiel um dänische Komödien oder deutsche Musikfilme mit Peter Alexander oder Conny Froboess anzuschauen. Der Grund dafür ist wahrscheinlich für jeden gleich: Wenn die Lichter um Dich herum ausgehen und eine neue Welt aus einer anderen Art von Licht auf der Leinwand entsteht, so ist dies ein magischer Moment und Du betrittst eine Welt, erschaffen aus der Verbindung von verschiedenen Kunstformen - Dramatik, Musik, Optik usw. Als ich entschied, was ich an der Universität studieren sollte, gab es zwei hauptsächliche Möglichkeiten: Filme machen oder Literatur, mit der Möglichkeit Journalist zu werden. Ich wählte das letztere, da es 1970 keine Wahrscheinlichkeit gab, dass jemand sein Leben in Island mit Filme machen bestreiten konnte. Ich habe diese Entscheidung nie bereut. 35 Jahre später, sind die Menschen, die versuchen in Island Filme zu machen, meistens Masochisten. Einige von ihnen sind sehr talentierte Masochisten. Literaturportal schwedenkrimi.de: Worin unterscheidet sich das Schreiben von Romanen vom Schreiben von Drehbüchern? Und wie beeinflusst Dich Deine Arbeit als Filmkritiker in Deiner Arbeit als Schriftsteller? Resultiert daraus auch die kleine Szene in Deinem ersten Buch, in dem sich Einar daran zu erinnern sucht, wie der Film hieß, in dem ein Auge mit der Rasierklinge zerschnitten wird? "Ein andalusischer Hund" von Luis Bunuel"? Árni Þórarinsson: Es gibt viele Unterschiede. Beides sind Medien, um Menschen Geschichten zu erzählen. Filme sind offensichtlich kollektive Zusammenarbeit zwischen vielen Personen. Romane werden gewöhnlich durch einen erschaffen - oder vielleicht noch zwei Personen. Filme sind ein sehr teures Medium und dadurch hast Du weniger Freiheit in der Auswahl der Geschichten und auf die Art, wie sie erzählt werden. Ein anderer Unterschied ist, dass der Leser zu einem größeren Grad seinen eigenen Film zu der Geschichte in seinem Kopf erschaffen kann, während im Kino die Geschichte bereits für Dich gefilmt wurde. Es ist schwierig für mich, zu erzählen, welchen Einfluss Filme auf meine Romane gehabt haben. Aber ich denke, ich kann sicher sagen, dass ich, bevor ich eine Szene in einem Roman schreibe, versuche, die Personen und ihre Umgebung zu visualisieren. Und ich versuche, die Unterhaltung der Personen mitzuhören, ihre Stimmen und das Wortmuster; das ist vielleicht so, wie Dialoge für ein Drehbuch zu schreiben. Vielleicht sind der Fluss oder der Rhythmus im Wechsel der Szenen manchmal wie Schnitte in der Filmbearbeitung. Aber wirklich, ich weiß es nicht. Jedoch, zitiere ich Filme ganz oft im Text. Dasselbe gilt für einen noch größeren Teil für Musik, meistens klassischer Rock n`Roll und Blues. Literaturportal schwedenkrimi.de: Welcher Filmrichtung stehst Du näher? Dem Film Noir der amerikanischen Prägung oder den Verfilmungen der Bücher von David Goodis und Cornell Woolrich von Francois Truffaut, der Nouvelle Vague? Árni Þórarinsson: Ich mag beide. Aber ich denke das der amerikanische Film-Noir mich mehr beeinflusst hat. Literaturportal schwedenkrimi.de: Du selbst hast geschrieben, dass Chandler, Hammett und Ross Macdonald zu Deinen Lieblingsautoren gehören. Dies hört man oft von den skandinavischen Autoren. Dazu kommen dann obligatorisch noch Sjöwall und Wahlöö. Man wagt schon gar nicht mehr zu fragen, ob dies bei Dir auch der Fall ist? Árni Þórarinsson: Ich habe mehrere Sjöwall und Wahlöö Bücher gelesen und ich mag sie sehr. Ihr sozialer Realismus hat ohne Zweifel die meisten skandinavischen Kriminalschriftsteller auf die eine oder andere Art beeinflusst. Ich denke nicht, dass sie eine große Rolle in meinen Geschichten spielen, obschon...
Du wolltest den hard-boiled Kriminalroman nach Island bringen. Dein erster Roman (1998) erschien fast zeitgleich (ein Jahr später) mit den ersten Romanen von Arnaldur Indriðason und Stella Blómkvist. War damals die Zeit reif für diese Art von Literatur auf Island oder war es auch eine "Generationsfrage"? Árni Þórarinsson: Ich denke es gibt ein paar Gründe dafür. Erstens: Das isländische Publikum war reif und bereit wegen der anwachsenden Popularität der ausländischen Kriminalgeschichten in Büchern, Fernsehen und Filmen. Zweitens: Die isländische Gesellschaft hat aufgehört isoliert und "unschuldig" zu sein und man reiste ins und vom Ausland. Die Technologie, zum Beispiel das Internet, hat die Gesellschaft für alle möglichen Einflüsse geöffnet, die größere Gesellschaften, positiv und negativ, kriminell und kreativ, beeinflussen. Drittens: Ein paar Menschen waren verrückt genug zu versuchen und herauszufinden, ob isländische Kriminalgeschichten in dieses Neuland gepflanzt werden konnten. Viertens: Sie scheinen erfolgreich genug gewesen zu sein, um mit diesem Experiment fortzufahren, welches nun nicht mehr länger ein Experiment ist. Die Zeit war richtig, die Gesellschaft war reif, die Leser und die Schriftsteller waren bereit. Literaturportal schwedenkrimi.de: Inzwischen kann man wohl behaupten, dass diese Literaturgattung sehr viel Platz in der isländischen Bücherlandschaft einnimmt. Der isländische Kriminalroman hat es geschafft, vom literarischen Stiefkind zu einer der am meisten diskutierten Literaturform zu entwickeln. Wie erklärst Du Dir das? Árni Þórarinsson: Für den Anfang, müssen die Geschichten in Ordnung sein, gut geschrieben und mit Vergnügen zu lesen. Ein guter Kriminalroman ist, aus meiner Sicht, eine unterhaltsame und spannende Suche nach der Lösung eines Rätsels, ein Rätsel über Menschen und über Gesellschaften, die kurz vor der Zerstörung stehen, oft Selbstzerstörung, psychologisch und persönlich, moralisch und soziologisch. Dafür kann der Kriminalroman ein literarisches Werkzeug sein, um unter die Oberfläche unserer Umwelt zu schauen, darauf zu hören was hinter den geschlossenen Türen und verschlossenen Fenstern unserer Gesellschaft geschehen ist, geschieht oder geschehen kann. Ich denke, der isländische Kriminalroman hat dies in unterschiedlichen Maßen und mehr als andere literarische Genre oder Formen getan. Menschen lesen Kriminalromane als Unterhaltung aber sie können auch sozial, psychologisch oder sogar politische Studien sein. Der isländische Kriminalroman ist auf eine gewisse Weise wie ein Blick in den Spiegel, ohne Make-up. Literaturportal schwedenkrimi.de: Zurück zu Deinem ersten Roman. Darin ist Einar eigentlich ein Alkoholiker, oder? Entweder ist er betrunken oder er hat einen Kater. Eigentlich ist er viel zu sehr damit beschäftigt Alkohol zu konsumieren oder auszuscheiden, als Ermittlungen durchzuführen. Warum dieses exzessive Trinken? Árni Þórarinsson: Nun, der exzessiv trinkende Detektiv ist, wie Du weißt, ein Archetyp der Kriminalliteratur. Im ersten Roman, beschloss ich, Einar auf das isländische Extrem zu heben. Ob die Menschen dies nun Alkoholismus nennen oder nicht, liegt an ihnen. Sein Trinken ist auch eine Flucht vor dem Alleinsein (sein Name im Isländischen ist ähnlich dem Wort für "allein") und der Unsicherheit und ist ein Verteidigungsmechanismus. Aber Du musst im Gedächtnis behalten, dass Einar ein Mensch in der Entwicklung ist. Im zweiten Buch trinkt er weniger, wie auch im dritten. Im neuen Buch trinkt er überhaupt nicht mehr. Er ist für immer verändert, da die Erfahrungen, die Ereignisse und die Menschen, die er getroffen hat, ihren Einfluss auf ihn hatten. Seine Untersuchungen sind nicht nur über Verbrechen, sondern auch darüber, sich selbst zu entdecken und mit sich selbst ins Reine zu kommen. Literaturportal schwedenkrimi.de: Du schreibst: "Wenige Dinge sind langweiliger als ein Held aus einem Kriminalroman, der perfekt ist und ein glückliches Leben führt, frei von Konflikten." Kommt Einar dem "Glück" in Deinen Romanen immer etwas näher oder entfernt er sich davon? Wobei "Glück" ja immer auch relativ zu sehen ist. In diesem ersten Buch ist Einar auch ein ziemlicher "Kotzbrocken". Egoistisch obwohl er sich selbst auch nicht zu mögen scheint. Warum hast Du diesen Charakter so gewählt? Vielleicht um eine Entwicklung von "übler" zu "gutem" Zeitgenossen vollziehen zu können? Árni Þórarinsson: Ich sehe Einar nicht als üblen Zeitgenossen. Er ist nicht vollkommen, gerade so wie Du und ich. Er lernt, was ihn glücklich und unglücklich macht. Aber er mag es wieder vergessen. Er wird nie vollkommen oder völlig glücklich sein. Aber wer ist das schon? Vor vielen Jahren machte ich ein Interview mit einem weltberühmten Filmstar und ich fragte sie, ob sie glücklich sei. Ihre Antwort war: "Menschen, die für mehr als 10 Minuten am Stück glücklich sind, sind Idioten!" Vielleicht nicht, aber ich verstehe was sie meinte "
Einars Beziehung zu Frauen ist sehr problematisch. Die weiblichen Charaktere sind doch ziemlich flach gezeichnet und kaum eine entwickelt einen wirklichen Charakter. Entweder Hure, Party-Girl oder, wie eine Abteilungsleiterin bei seiner Zeitung, die nur über ihr Aussehen bzw. Kleidung definiert wird. Alles beschrieben aus Einars Sicht. Worin begründet sich seine doch recht einseitige Sicht der Frau? Árni Þórarinsson: Ich teile nur teilweise die Voraussetzung Deiner Frage. Zumindest hoffe ich, dass Du nur auf das erste Buch Bezug nimmst. In "Nóttin hefur þúsund augu" ist Einars Sicht auf die Frauen durch den Archetyp des hard-boiled Detektivgenres definiert und durch die bestimmte Arten von Vorurteilen von isländischen Männern. Doch, wenn Du genauer liest, so denke ich, wirst Du feststellen, dass Einars Beziehung zu Frauen komplexer ist, als Deine Frage unterstellt. Er ist sich zum Beispiel über seine eigene Mängel und Vorurteile bewusst. Er macht sich über sich selbst lustig. Auf vielerlei Weise ist er eine Parodie seiner selbst - und er weiß das! Und der Einar des zweiten Buches und der Einar des dritten sind nicht der gleiche, auch in Hinsicht auf seine Einstellung gegenüber Frauen, Menschen verschiedener Rassen, Homosexuellen und anderen Problemen und Vorurteilen. Manchmal schauen die Leser und die Kritiker der Kriminalromane nicht hinter das Offensichtliche. Du bist keiner von diesen, oder? Literaturportal schwedenkrimi.de: Du bezeichnest die Romane über Einar auch als "Bildungsromane". Du schreibst, im ersten Buch findet Einar seine Wurzeln, im zweiten zu seiner Tochter und im dritten findet er zu sich selbst. Findet dies im vierten Band seine Fortsetzung? Árni Þórarinsson: Die ersten drei Bücher waren eine Art Trilogie. Das vierte ist in vielerlei Hinsicht wie ein neuer Anfang: Einar beginnt ein neues Leben an einem neuen Ort. Er ist aufs Land gezogen, nach Akureyri in Nordisland und hat gelernt anders zu arbeiten und zu leben, zum Beispiel ohne Alkohol. Und er findet sein Leben in einer besseren Ausgewogenheit als zuvor. Wir werden sehen, was als nächstes passiert. Literaturportal schwedenkrimi.de: Ein "Film Noir Stil" zieht sich durch Deine ganzen Romane. Einars Sicht der Welt ist voller Pessimismus und voller Paranoia. Ein Fall wird gelöst, ein anderer nicht, und die Schufte fahren fort, die Gesellschaft zu okkupieren. Die Welt verschlechtert sich. Ist dies auch Deine Weltanschauung? Bist Du Pessimist? Und ist diese Welt nur mit Humor zu ertragen? Árni Þórarinsson: Ich bin kein Pessimist. Und ich denke nicht, dass Einar ein Pessimist ist. Die Tatsachen sprechen für sich: Die Welt korrumpiert sich selbst. Ein Sinn für Humor kann diese Tatsache erträglich machen, ja. Literaturportal schwedenkrimi.de: Humor spielt eine große Rolle in Deinen Büchern. Auch die Kritiker heben dies hervor. Ist es schwierig humorvoll zu schreiben? Ich gehe davon aus, dass Du selbst auch ein Mensch mit Humor bist. Hilft das? Árni Þórarinsson: Ich schreibe auf die einzige Weise die ich kann, hoffentlich beides: ernst und humorvoll. Literaturportal schwedenkrimi.de: Das Buch "Tími nornarinnar" wurde als bester Kriminalroman Islands 2005 gekürt. Er ist auch ein großer Verkaufserfolg. Freut Dich dieser Erfolg? Árni Þórarinsson: Natürlich. Es ist sehr anspornend, besonders da letztes Jahr so viele gute isländische Kriminalromane veröffentlicht wurden; mehr als zehn, soweit ich mich erinnere. Und es ist auch sehr ermutigend, dass ich in mehreren ausländischen Ländern veröffentlicht werde. In Deutschland, glaube ich, nächstes Jahr. Literaturportal schwedenkrimi.de: Kannst Du, ohne zu viel zu verraten, eine kurze Inhaltsbeschreibung über "Tími nornarinnar" geben? Árni Þórarinsson: Am Anfang der Geschichte sind Einar und sein Freund Jóa, der Fotograf, auf der Rückreise von Hólar in Hjaltadalur, einem alten Ort des Lehrens und der Religion im Norden von Island. Sie haben Interviews mit Studenten der Theatergesellschaft der Universität von Akureyri gemacht, die eine Aufführung eines hundert Jahre alten Stückes, genannt Galdra-Loftur (Hexer-Loftur) gemacht haben. Das Stück basiert auf der Legende von Faust und spielt in Hólar, welches vor vielen Jahrhunderten das Zentrum von Nordisland war, wie es heute Akureyri ist. In der Nähe, am Jökulsás vestari Gletscherfluß, sind eine Gruppe von Menschen von einer Firma aus Akureyri auf einer Rafting Tour. Eine Frau fällt über Bord und Einar und Jóa gehen dahin, um für die Zeitung von diesem Ereignis zu berichten. Ein paar Tage später verschwindet der junge Darsteller, der Galdra-Loftur spielt, am Abend vor der Premiere. So beginnt die Geschichte, aber es gibt einen sozialen und politischen Hintergrund dazu, die darauf basieren, was wirklich hier in Island geschieht, zum Beispiel Umbrüche rund um das Dorf Reyðargerði im Osten, wo ein Wasserkraftwerk und eine Aluminiumfabrik gebaut werden. Überhaupt befasst sich "Tími nornarinnar" mit mehreren der ernsten Veränderungen, welches mein Land durchmacht. Aber zuerst und zuvorderst ist es Unterhaltung. Literaturportal schwedenkrimi.de: Wie kamst Du auf die Idee ein altes isländisches Volksstück als Hintergrund für eine moderne Krimistory zu nehmen? Ist es ein Rahmen für die Geschichte oder ist sie der Schlüssel für die Lösung des Rätsels? Árni Þórarinsson: Eines der Hauptthemen von "Tími nornarinnar ist, so wie ich es empfinde, eine klare Charakterisierung der modernen isländischen Gesellschaft und vielleicht der westlichen Gesellschaft im allgemeinen. Egoismus, Materialismus, Habgier und Mangel an Respekt für Menschen und andere Werte, als die, die man kaufen und verkaufen kann. Es ist die Idee, von "Ich tue es, weil ich es kann", nicht "es ist das Richtige, was ich tue", weil es mehr Menschen als "mich" glücklicher macht. Die Gesellschaft ist ein Opfer einer Art von Demokratiefeindlichkeit und materieller Selbstbefriedigung. Das wird zum Beispiel an der zunehmenden Kluft zwischen den sehr Reichen und den ganz Armen widergespiegelt und in der kurzsichtigen Ausbeutung unserer Landschaft und den natürlichen Reichtümern, wie es gerade in Ostisland geschieht. Nun, als ich entschieden hatte, dass ich diese Realität in die Geschichte einbauen wollte, erinnerte ich mich an das alte isländische Schauspiel und das Volksmärchen, welches sich auf das klassische Thema eines Mannes bezieht, der seine Seele an den Teufel verkauft, um tun zu können was er will und kann. Hat man nun eine Gruppe von jungen Leuten, die das Schauspiel in einer Inszenierung an dem Originalschauplatz wieder beleben wollen, bekommt es so eine Art von Natürlichkeit. Es war für mich die perfekte Illustration von "Die Jahreszeit der Hexe", welches das Buch zu einem großen Umfang darstellt. Literaturportal schwedenkrimi.de: Alle vier Titel der Bücher über Einar sind auch Titel von Popsongs oder Liedtexte. Einmal ist es Bobby Vee mit "A Night has a thousand eyes" (Nóttin hefur þúsund augu), "White Rabbit" (Hvíta kanínan) von Jefferson Airplane, Billie Holiday mit "Blue Moon" (Blátt tungl) und nun Donovan mit "Season of the Witch" (Tími nornarinnar) . Ist der Titel wegen einer besonderen Beziehung zwischen Buch und Lied gewählt worden oder ist es nur ein Spiel? Árni Þórarinsson: Alle diese Titel wurden gewählt, weil sie einige der Themen der Geschichten illustrieren. Und ich mag diese Songs. Literaturportal schwedenkrimi.de: Du bist öfter in Spanien zum Arbeiten. Woher kommt Deine Beziehung zu diesem Land? Und hat diese Spanienerfahrung auch Einfluß auf den zweiten Band genommen, der ja auch in Spanien spielt? Árni Þórarinsson: Ich bin glücklich, die Möglichkeit zu haben, für ein oder zwei Monate im Jahr in Barcelona zu sein. Ich gehe dahin, um Ruhe und Stille zum Schreiben zu finden und das Vergnügen des Lebens zu genießen, wenn ich nicht schreibe. "Hvíta kanínan" würde wohl nicht geschrieben worden sein, wenn ich nicht nach Barcelona gegangen wäre. Es ist ein großartiger Ort. Literaturportal schwedenkrimi.de: Du hast auch ein Buch mit Páll Kristinn Pálsson geschrieben. Auch darin kommt Einar vor. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? Árni Þórarinsson: Wir sind Freunde seit mehr als zwanzig Jahre oder seit ich ihn als Rock n`Roll Journalist für die "Visir" Wochenendausgabe angestellt habe. Damals war er ein bekannter Pop Sänger. Nun ist er ein bekannter Schriftsteller. Wir haben zwei Fernsehfilme und zwei Kriminalromane zusammen geschrieben. Der zweite, "Farþeginn" oder "Der Passagier", schrieben wir in diesem Sommer und er wird später in diesem Jahr erscheinen. Literaturportal schwedenkrimi.de: Wie kam es übrigens zu dieser ersten deutschen Veröffentlichung? Der Verlag (Verlagshaus Nr.8) existiert ja mittlerweile meines Wissens nach nicht mehr. Árni Þórarinsson: Ich weiß nur, dass mein Verleger die Rechte an diese kleine Firma verkaufte, die dann starb. Vielleicht tötete ich sie! Ich denke, das Buch bekam nicht viel Werbung oder Öffentlichkeit in Deutschland. Literaturportal schwedenkrimi.de: Ist es von Deinem neuen deutschen Verlag (droemer-knaur) vorgesehen, den ersten "Einar Roman" wieder zu veröffentlichen und die zwei anderen zu verlegen? Oder warum beginnt er mit Deinem aktuellen Buch? Árni Þórarinsson: Ich weiß nicht. Ich nehme an, sie wollen "Tími nornarinnar" veröffentlichen und dann abwarten, wie es läuft, bevor sie irgendetwas anderes entscheiden. Ich hoffe, sie werden es nicht bedauern! Literaturportal schwedenkrimi.de: Meine Abschlussfrage, die ich gerne Stelle, ist die Inselfrage. Welches Buch, welche CD und welchen Film würdest Du auf eine einsame Insel mitnehmen? Wobei die Frage nach dem Film bei einem Filmkritiker natürlich interessant ist. Árni Þórarinsson: Das Buch: "The Long Goodbye" von Raymond Chandler. Die CD: Die kompletten Beatles. Der Film: "Citizen Kane" von Orson Welles. Literaturportal schwedenkrimi.de: Ich bedanke mich für die ausführlichen Antworten und wünsche Dir viel Erfolg für Deinen Neustart in Deutschland. © September 2006 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
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