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"Der letzte Winter" von Åke Edwardson
Weihnachtliche Kälte
Åke Edwardsons Der letzte Winter ist das denkbar ungeeignetste Buch um in vorweihnachtliche Stimmung zu gelangen. Bei Edwardson ist Weihnachten kein geschützter Raum, selbst die (heilige) Familie Kommissar Winters ist nicht vor dem Eindringen des Bösen gefeit. Gerade Winter, im letzten Roman noch von heftigen Migräneattacken geplagt und an sich und seinem Beruf zweifelnd, wird vom Täter in ein gefährliches Katz- und Mausspiel verwickelt. Doch von vorne:
Schon lange besitzt Familie Winter ein Grundstück am Meer. Eine scheinbare Idylle, an der jedoch eines Winternachmittags während eines Familienspaziergangs ein Toter angeschwemmt wird. Niemand weiß, wer der Tote sein könnte. Wenig später geht bei der Polizei ein Notruf ein, ein Mann habe morgens seine Frau leblos im Bett aufgefunden. Die beiden jungen, unerfahrenen Polizisten stehen vor einem Rätsel. Als schließlich ein weiterer Mord an einer jungen Frau auf dieselbe Art und Weise geschieht, geht man von einem Serientäter aus, den es zu stoppen gilt. Winter und sein Team entdecken Parallelen, entstammen die Toten doch beide der Oberschicht. Ihre Eltern wohnten lange in Marbella, ein Lieblingsort reicher Schweden. So lebte auch Winters Mutter bis zum Tod ihres Mannes dort; ein Ort, mit dem Winter also selbst vieles verbindet. Die Eltern der Opfer verhalten sich merkwürdig, scheinen Dinge zu verbergen, die weit in die Vergangenheit zurückreichen. Winter begibt sich immer tiefer in diese Oberschicht, nimmt sie gleichsam immer weiter auseinander um an den Kern der Taten zu gelangen. Während seine Familie am Weihnachtsabend zusammen feiert, sitzt er im Schlafzimmer und betrachtet sich eine DVD, auf der ihm der Täter den Ort der nächsten Tat vorführt. Eindringlicher kann das Eindringen des Bösen in einen eigentlich geschützten (Privat-) Raum kaum gezeigt werden.
Dieser „letzte Winter“ ist besonders kalt. Und auch die Schweden, die im warmen Marbella leben, sind nicht von dieser Kälte ausgenommen, im Gegenteil. Den Fall wird Winter in Marbella lösen, wohin der Täter am Ende zurückkehrt. Der Täter selbst war auch Opfer, was seine Taten nicht verständlicher macht, aber zeigt, dass es zu einfach wäre nur von einem Täter zu sprechen. Winter muss sich letztlich eingestehen, dass er „nicht alle retten kann.“ Diese Einsicht ist es, die es ihm unmöglich machen wird zurückzukehren, weder als Ermittler, noch aus Marbella.
Schade.
Vielen Dank an unsere Rezensentin Katja Perret.
© Dezember 2010 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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"Toter Mann" von Åke Edwardson
Die große Schuld
In der Mitte des Buches "Toter Mann" fasst Erik Winter, der Kommissar in Åke Edwardsons Krimireihe aus Göteborg, den Fall zusammen, der ihm bisher so viele Rätsel aufgibt. "Winter studierte wieder die Fotos von der Älvsborgsbrücke. Wie man es auch dreht und wendet, dort hat alles begonnen, dachte er." Ein verlassenes Auto auf einer einsamen Brücke. Lars Bergenhem, sein Kollege, kam zufällig vorbei und schlug Alarm. Es stellte sich heraus, dass das Auto gestohlen war; wenigstens behauptet dies sein Besitzer Roger Edward. Es fand sich eine Kugel im Auto. Die Munition: das Kaliber einer Tokarev. Dieselbe Munition wurde auch bei Schüssen auf das Haus von Bengt Sellberg verwendet. Dieser Bengt Sellberg wurde später ebenfalls mit einer Tokarev erschossen und im Auto des Lokalpolitikers Jan Richardsson aufgefunden. Vermutlich wurde er mit derselben Waffe erschossen. Was hatten Richardsson und Sellberg miteinander zu tun? Wie passt Roger Edwards dazu? Wem gehörte die Tokarev? Die Polizei wußte weder, wo die Waffe war, noch ob immer derselbe Schütze die Schüsse abgab. Ob nur eine oder mehrere Personen beteiligt waren.
Es mehren sich die merkwürdigen Zufälle: Da gibt es diesen Schriftsteller, der sich in eine ruhige Gegend von Göteborg zurückgezogen hat, um an einem Buch zu schreiben und der ziemlichen Ärger mit seinem Nachbarn bekommt. Dieser Nachbar ist Sellberg, der später erschossen aufgefunden wird. Ins Spiel kommt ein Unterweltkönig von Göteborg, Christian Lejon, der feststellt, dass jemand eine Schramme in sein Auto gefahren hat. Der Lokalpolitiker Richardsson, der in irgendeiner Verbindung zu Sellberg steht und ein Mädchen, dass vor über 30 Jahren verschwand. Ein Mädchen, das eines Tages in einem Sommerlager zum Schwimmen ging und spurlos in den Schären verschwand und nie mehr aufgetaucht ist. Von deren Schicksal erzählt Edwardson in eingeschobenen Rückblenden. Es stellt sich heraus, dass der Schriftsteller der Bruder des verschwundenen Mädchens ist und ein Buch über jenen Sommer schreiben möchte. Und wieso interessiert sich der Gauner Lejon plötzlich so sehr für den Schriftsteller und sein unfertiges Manuskript?
Buchtipp |
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Immer wieder ist von Puzzleteilen die Sprache, die zu einem Bild komponiert werden müssen. Manchmal gelang es Winter das Puzzle zu vollenden. "Bei einem Puzzle waren alle Teile vorhanden, sie waren da, die Lösung war da, man musste die Teile nur an die richtige Stelle legen." Aber dieser Fall war mehr als ein Puzzle. Ein Mysterium. "Ein Mysterium war etwas anderes. Es war nicht einmal ein Puzzle, dem einige Teile fehlten. Es war schlimmer als das, komplizierter, die Suche nach Antworten, wo es vielleicht keine Antworten gab." In diesem Fall kann man von einem Mysterium sprechen, dessen Ursprung weit in der Vergangenheit liegt. Oder wie es Åke Edwardson zum Ende des Buches ausdrückt: "Und Winter begriff, dass er (Richardsson) tatsächlich nichts wusste. Dass es viel gab, was Richardsson noch nicht wusste. Aber es gab auch viel, was er wusste. Das, was er getan hatte. Dessen er sich schuldig gemacht hatte. Was der Grund für alles war, was jetzt, in der Gegenwart, geschah. Die große Schuld. Es gab keine Vergangenheit mehr. Sie war hier. Sie war jetzt. Die Zeit war in diesem Jetzt gefangen, und Winter gedachte, sie nicht loszulassen. Alles war in einer einzigen Zeit versammelt, als wäre dieser Morgen der letzte Morgen."
Lange braucht Edwardson, bis Erik Winter und der Leser aus den vielen Puzzlestücke, die ihm vorgelegt werden, eine Struktur erkennen können. Aber hat man sich eingelesen und den Grundrhythmus des Buches erfasst, so kann man sich auf die Geschichte einlassen und sie nimmt einen gefangen. Man kann sich dem Sog der Geschichte nicht mehr entziehen bis zum tragischen Ende, das aber manche Fragen offen läßt. Da sind die privaten Schwierigkeiten der Ermittler. Lars Bergenhem, Winters Kollege, hat ein Coming Out als Schwuler und verlässt seine Familie und will den Dienst quittieren. Zwei andere Kollegen, Aneta Djanali und Fredrik Halders, haben ebenfalls mit privaten Problemen zu kämpfen. Und auch in der Beziehung von Erik Winter kriselt es und er wird von heftigen Migräneanfällen geplagt. Deshalb tritt manchmal die Krimihandlung fast in den Hintergrund. Doch auch diese Beziehungsschwierigkeiten tragen zu der düsteren beklemmenden Stimmung, einer Endzeitstimmung, des Romans bei. Diese Erzählweise unterzieht den Leser aber doch manchmal einer harten Prüfung und fordert seine "Leidensfähigkeit" heraus. Einiges in der Handlung scheint auch zu sehr "bemüht", zu sehr auf "Zufall" getrimmt zu sein. Aber wenn man akzeptiert, dass es solche Zufälle gibt und geben kann, so tut dies der Glaubwürdigkeit keinen Abbruch. Trotz dieser kleinen Schwächen gelingt es Åke Edwardson, den Leser bis zum Ende des gut strukturierten und konstruierten Romans in Atem zu halten.
Wie Åke Edwardson selbst gesagt hat, soll nach zehn Bänden mit Erik Winter Schluß sein. Da dies bereits der neunte Kriminalromane mit Kommissar Winter ist, können wir nun auf den letzten Band gespannt sein. So düster und problembeladen dieser neunte Kriminalroman ist, können wir wohl davon ausgehen, dass es kein gutes Ende mit Erik Winter nehmen wird. Sagt Winter doch selbst: "Womit war er noch nicht fertig? Mit dem Tod eines Menschen, bald darauf gefolgt von einem neuen Todesfall? Mit einem weiteren Mörder, weiteren Opfern, Hinterbliebenen, neuer Wahrheiten, die auf einem Haufen alter Wahrheiten landeten. Alte Gräuel erschienen wie neu, genau wie alte Besäufnisse für einen Säufer wie neu wurden." Daraus spricht Weltschmerz, Überdruß und Ekel über seinen Beruf. Hinzu kommen seine privaten und gesundheitlichen Probleme. Die Welt war zu schlecht. Aber wie schreibt Åke Edwardson in "Toter Mann": Die Verbrechen in Göteborg hörten nie auf. Sie würden sich wiederholen, trotzdem würde nichts wie vorher sein. Oder doch?
Vielen Dank an an Jürgen Ruckh/ Esslingen
© November 2009 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Toter Mann" von Åke Edwardson
Rätselhaftes Verschwinden
In Åke Edwardsons neuestem Roman, Toter Mann, geht es um das Verschwinden eines jungen Mädchens im Jahr 1975. Ihr Bruder, ein Schriftsteller, schreibt ihre Geschichte auf – soweit sie ihm bekannt ist.
Zu Beginn des Romans steht jedoch ein verlassener Wagen, in dem eine Kugel steckt. Der Fahrer ist verschwunden, der Besitzer des Wagens weiß von nichts und allgemeine Verwirrung macht sich unter den Ermittlern breit. Und nicht nur bei ihnen. Auch für seine Leser stellt Toter Mann eine Herausforderung dar. Jedoch schafft es Edwardson am Ende alle Handlungsstränge geschickt zusammenzuführen und bringt sie zu einem großen Finale, bei dem sich die verbliebenen Akteure treffen.
Ein wichtiger ist Lars Bergenhem, Winters junger Kollege, der eben erst seine homosexuellen Neigungen entdeckt hat. Seine persönliche Zwiespältigkeit ist es, die ihn am Ende in große Gefahr bringt und die ihn als Polizisten unvorsichtig werden lässt. Winter macht sich nicht nur Sorgen um ihn, sondern ist auch selbst geplagt von Migräneanfällen. Diese belasten ihn und seine Familie enorm, bilden aber auch eine strukturelle Verbindung zu dem „Gangster“ des Romans, Christian Lejon, der ebenfalls an Migräne leidet.
Man weiß früh, dass Lejon der Haupttäter ist, die Zusammenhänge erschließen sich aber erst nach und nach. Hierin liegt eine Schwäche des Romans. Die Motivation Lejons nach mehr als 20 Jahren auf einmal zum Rächer zu werden, wird nicht sehr plausibel begründet. Vielmehr ist es die Tat eines Psychopaten, der damals in das junge Mädchen verliebt war.
Als Bindeglied und erzählerischer Trick fungiert der Schriftsteller Ademar, dessen Teile der Geschichte vom Verschwinden seiner Schwester immer wieder in die Handlung eingestreut werden und der selbst bedroht wird.
Am Ende treffen sich alle auf der Insel in den Schären, auf denen das Mädchen verschwunden ist. Gute und Böse, so Winter, denn wer gut oder böse ist, lässt sich nicht mehr so einfach unterscheiden. So passt es auch, dass ausgerechnet ein „Böser“ Winter letztlich das Leben rettet.
Moral, Schuld, Rache, Sühne – Edwardson beschäftigt sich in Toter Mann mit den ganz großen Themen. Antworten liefert er keine, aber einen fesselnden Kriminalroman.
Vielen Dank an Katja Perret
© November 2009 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Rotes Meer" von Åke Edwardson
Eine Geschichte aus der Parallelgesellschaft
In seinem achten Fall ermittelt Erik Winter im Asylantenmilieu und muss sich im Zuhören, Übersetzen und Interpretieren üben, denn die, die Antwort kennen, schweigen zumeist. So ist „Rotes Meer“ vor allem auch ein Roman, der das (Ver-)Schweigen zelebriert. Wer die Wahrheit erfahren will, muss genau zu hören, wenn etwas gesagt wird oder unausgesprochen bleibt. Am Ende ist der Mordfall gelöst, doch das Fremde ist nicht vertrauter geworden.
Zuwanderung, Integration und das Verhältnis zwischen Christentum und Islam stehen nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern Europas auf der politischen Agenda. Auch in Skandinavien. So verwundert es nicht, dass auch dieses Thema nun Eingang in die skandinavische Kriminalliteratur gefunden hat: Åke Edwardson erzählt in seinem achten Winter-Krimi, „Rotes Meer“, eine Geschichte aus Schwedens Parallelgesellschaft.
Erik Winter, frisch zurückgekehrt aus Marbella, steht vor einem roten Meer aus Blut: Jimmy Foro, der Besitzer eines kleinen, rund um die Uhr geöffneten Ladens, und zwei seiner kurdischen Mitarbeiter sind regelrecht hingerichtet worden. Der einzige Zeuge der Morde, ein kleiner Junge, versteckt sich vor Winter. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, als ein weiterer Mord geschieht, doch Winter und sein Team umgibt eine Mauer des Schweigens. Die Ermittlungen, in einem Milieu, in dem der Kampf ums Überleben zusammenschweißt, kommen nur schleppend voran, denn die, die Antwort auf alle Fragen kennen, schweigen oder antworten ausweichend.
Wichtig ist, was nicht gesagt wird
So wird „Rotes Meer“ vor allem und konsequent eine Geschichte der Stille, des Stillstandes und des Nicht-Gesagten, obwohl sich Winter mit seinen Kollegen, allen voran mit Ringmar und Halders, ständig austauscht. Dementsprechend ist „Rotes Meer“ ungeheuer dialogreich. Kurze, intensive Sätze dominieren, und dennoch bleibt das meiste ungesagt. Es ist beeindruckend, wie Åke Edwardson es schafft, dem (Ver-)Schweigen auf fast 400 Seiten Ausdruck zu verleihen. Erst allmählich lernt Winter, auf das (Ver-)Schweigen zu hören, es zu übersetzen und zu interpretieren (bezeichnenderweise spielt auch ein Dolmetscher eine wichtige Rolle).
Ein Schweden, das keine Stimme hat und kein Gesicht
Auch der Leser ist gefordert, der Übung in interkulturellem Zusammenleben und Verstehen, zu der „Rotes Meer“ wird, zu folgen. Etwas erleichtert wird ihm dies durch eine zweite Erzählerstimme, die von der Flucht aus Kurdistan berichtet, doch letzten Endes bleiben die Welt derer, die stets mit der Angst der Abschiebung und ihren Bedingungen leben müssen, und ihrer Regeln für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar. Åke Edwardson erliegt nicht der Versuchung, die Asylanten als unschuldige Opfer zu stilisieren, doch bleiben die Immigrantenszene und ihre Auffassung von Ehre und Heimat fremd. Auch die tragenden Charaktere werden im Verlauf der Geschichte nicht wirklich vertraut. Sie entziehen sich, bleiben ein wenig gesichtslos. Ob dies ein bewusster, cleverer Schachzug des Autors darstellt oder eher ein nicht beabsichtigter, geradezu wider Willen entstehender Effekt, muss unbeantwortet bleiben. In jedem Fall muss, wer „Rotes Meer“ verstehen will, genau zuhören, denn der Roman erzählt gerade die Geschichte eines Schweden, das keine Stimme hat, kein Gesicht, das man weder sieht noch hört noch kennt.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© März 2008 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Rotes Meer" von Åke Edwardson
Am Rand des Abgrunds
Åke Edwardsons neuer Roman „Rotes Meer“ besitzt alle Zutaten eines klassischen Kriminalromans. Am Anfang steht ein Mord, dann wird durch genaue Polizeiarbeit der Täter ermittelt. Dies trifft auf „Rotes Meer“ zu und doch wieder nicht, denn es gibt in diesem Roman vieles, was nur angedeutet, nicht aber ausgesprochen wird.
Zunächst zum Mord: Der Betreiber eines kleinen 24-Stunden Ladens und zwei seiner kurdischen Mitarbeiter werden auf äußerst brutale Weise getötet, sie werden quasi im „roten Meer“ aufgefunden. Erik Winter, gerade von einem halbjährigen Aufenthalt auf Marbella zurück, ermittelt nun in einem Milieu, das nur schwer zu durchdringen ist. Die Familien der Toten leben meist illegal in Schweden und schotten sich gegenseitig von Eindringlingen ab. In dieser Parallelgesellschaft gelingt es Winter nur sehr mühsam zu Ergebnissen zu kommen. So besteht der Roman auch größtenteils aus der Wiedergabe von Verhören oder Gesprächen, die mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben. Für den Leser ist diese Erzählweise teilweise zermürbend und schrecklich zäh. Es gibt keinen Höhepunkt oder eine dramatische Wende. Erst auf der beinah letzten Seite löst sich der Fall und löst sich dennoch nicht vollständig. Man weiß letztlich nicht genau, was die Opfer umtrieb und sich in kriminelle Machenschaften verstricken ließ. Eins aber macht Edwardson klar. Die Gesellschaft, die zulässt, dass so viele Menschen am Rande leben, macht sich mitschuldig.
Die Stärke des Romans ist gleichzeitig seine Schwäche. „Rotes Meer“ lebt von seinem lakonischen Ton, von dem Ermittler Erik Winter, der von Kopfschmerzen geplagt ist, der leidet. Der passende Ton macht alleine jedoch noch keinen guten Roman. Die Handlung tritt bisweilen zu sehr hinter den Verhören zurück, sodass die Verhöre zur eigentlichen Handlung werden. Stark sind wie immer die Sequenzen, in denen man den Personen sehr nahe ist, wie beispielsweise in den eingestreuten fast schon poetischen Passagen einer Ich-Erzählung. So wie bereits am symbolhaften Anfang des Romans:
„Ich erinnere mich an Sand, soweit ich zurückdenken kann. Sand. Etwas anderes wäre auch seltsam gewesen. Sand rann durch meine Finger, Sand bewegte sich unter meinen Schritten.“
Vielen Dank an Katja Perret
© März 2008 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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"Zimmer
NR. 10" von Åke Edwardson
Düstere Hotels
Im Leben eines jeden Ermittlers scheint es einen Fall
zu geben, der, weil er nie gelöst werden konnte, ihn zeitlebens
verfolgt. So auch bei Erik Winter, der es in seinem ersten Jahr bei
der Göteborger Kriminalpolizei mit der wie vom Erdboden verschluckten
Ellen Börge zu tun hatte. Nun, 20 Jahre später, wird in einem
Hotel die junge Paula Ney erhängt aufgefunden. Eine ihrer Hände
hat der Mörder weiß bemalt. Ihr seltsamer Abschiedsbrief
gibt den Ermittlern Rätsel auf, lässt er ihren Tod doch wie
einen Selbstmord scheinen. Zunächst ohne offensichtlichen Zusammenhang
verliert sich Erik Winter in Gedanken an Ellen Börges damaliges
Verschwinden.
Åke Edwardson versteht es geschickt, die beiden Erzählstränge
in der Gegenwart und Vergangenheit parallel nebeneinander herlaufen
zu lassen, sodass man manchmal den Eindruck bekommt, einer gehe in den
anderen über. Genauso empfindet es wohl Erik Winter selbst, der
sich in seiner Midlifecrisis befindet und psychisch ausgelaugt wirkt.
Tatsächlich denkt er konkret darüber nach, sich eine Auszeit
zu nehmen und mit Frau und Kindern für eine Weile nach Spanien
zu ziehen. Kurze Zeit nach Paulas Tod wird auch ihre Mutter tot aufgefunden,
gleichfalls in einem Hotel und ebenso mit einer weiß bemalten
Hand.
Als Leser bekommt man sehr viel Einblick in die polizeiliche Ermittlungsarbeit.
Anfangs dominieren deshalb Gespräche zwischen den Ermittlern oder
Verhöre im familiären Umfeld der Opfer, die bisweilen etwas
langatmig anmuten können. Je mehr aber Winters Psyche und sein
Vergraben in den einstigen Fall an Bedeutung gewinnt, desto spannender
und dynamischer wird der Roman. Nach und nach stellt sich heraus, dass
es tatsächlich eine Verbindung zwischen der verschwundenen Ellen
Börge und der jungen Paula Ney gibt und dass darin der Schlüssel
zur Lösung beider Fälle steckt.
Åke Edwardson gibt sich nicht mit einfachen Erklärungen ab, sondern
bietet dem Leser eine ziemlich einzigartige Geschichte, die tiefen Einblick
in menschliche Abgründe gibt. Außerdem besticht Zimmer Nr.
10 durch seine atmosphärische Dichte, sei es in der Beschreibung
des besagten Hotelzimmers oder durch die faszinierenden Psychogramme
der einzelnen Charaktere, sei es auch nur der Hotelportier. Edwardson
findet keine einfachen Antworten auf schwierige Fragen. Er/ Winter stellt
viele Fragen - zuletzt auch die allerwichtigste, an Angela.
Vielen Dank an Katja Perret
© Oktober 2006 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Zimmer
NR. 10" von Åke Edwardson
Gestern war heute. Morgen ist jetzt.
Åke Edwardson dreht sich in seinem siebten
Winter-Krimi im Kreis von Vergangenem, Zukünftigem und Gegenwärtigem,
ohne langweilig zu werden oder sich zu wiederholen.
Wenn "Zimmer Nr. 10" nicht Åke Edwardsons siebter Winter-Krimi
wäre und er nicht schon angekündigt hätte, dass noch
drei weitere folgen werden, könnte man meinen, "Zimmer Nr.
10" wäre Edwardsons letzter Krimi um Kommissar Erik Winter
- so gut ist dieser Roman, der in Teilen an Håkan Nessers letztem
Van-Veeteren-Krimi erinnert, gelungen. Wie Van Veeteren in Nessers "Sein
letzter Fall" aus dem Jahr 2004 muss auch Erik Winter in die Vergangenheit
blicken und einen 18 Jahre zurückliegenden Fall lösen, um
den rätselhaften Mord an Paula Ney, die in einem Göteborger
Hotel ermordet aufgefunden wird, aufzuklären. Dabei entsteht eine
schöne Parallelität der Ereignisse, wenn in Rückblicken
auf die Geschehnisse von vor 18 Jahren geblickt wird. Häufig merkt
man erst nach längerem Lesen der Passage, in welcher Zeitschiene
man sich befindet. Das ist schön und klug zugleich gemacht, ohne
Verwirrung zu stiften. Åke Edwardson ist ein viel zu routinierter
Erzähler, als dass er seine Leser orientierungslos zurückließe,
doch mitdenken ist durchaus erwünscht.
Vergangenes und Zukünftiges
Der Konfrontation mit der Vergangenheit steht die Konfrontation
mit der Zukunft entgegen. Winters Freundin Angela ist mit den Kindern
in Marbella und hat dort ein Jobangebot: Soll Winter sich für ein
halbes Jahr vom Dienst beurlauben lassen und nach Marbella übersiedeln?
Wird Angelas und Eriks Beziehung auf ein neues Fundament oder auf eine
neue Probe gestellt? Die Querverbindungen zwischen den einzelnen Zeiten
bewirkt, dass den Roman eine Melancholie des Abschieds umgibt. "Zimmer
Nr. 10" ist durchdrungen vom Aufräumen mit der Vergangenheit
und von Einsichten, die Alter und Erfahrung mit sich bringen. Eigentlich
also ein echter "Abschieds"- und "Abschlussroman".
Wie will Åke Edwardson das in den drei noch ausstehenden Winter-Krimis
noch toppen oder wenigstens wiederholen?
Duplizität der Ereignisse
A propos "wiederholen:" Das Motiv der Wiederholungen,
Verdoppelungen und Spiegelungen durchzieht den gesamten Roman, auch
auf sprachlicher Ebene, was zuweilen durchaus etwas anstrengend werden
kann. Auf der rein narrativen Ebene jedoch entsteht so eine dichte Atmosphäre,
was durch ein Minimum an Figuren noch unterstrichen wird. Daraus resultiert
gleichzeitig eine gewisse Monotonie, die ein Gefühl des Déja-vu
auch beim Leser aufkommen lässt. Es wird immer und immer wieder
derselbe Personenkreis vernommen - heute wie damals. Als ob die Zeit
still stehen würde. Geduld ist vom Leser gefordert, die am Ende
belohnt wird. Denn "Zimmer Nr. 10" hält alle Versprechen,
die am Anfang gemacht werden, und Edwardson führt alle losen Fäden
am Ende souverän zusammen, ohne vorhersehbar zu werden.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© September 2006 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Das vertauschte
Gesicht" von Åke Edwardson
Tödlicher Körpertausch zum Jahrtausendswechsel
Es ist üblich, dass ein Kommissar Tote in unterschiedlich
zugerichteter Art auffindet und danach routiniert seine Recherchen und
Aufklärungstätigkeit ausübt. Als jedoch der inzwischen
durchaus abgebrühte Erik Winter vom Herzinfarkt seines Vaters in
dessen Lebensabschnittsdomizil Spanien erfährt, bringt ihn das
doch etwas aus dem Gleichgewicht. Zudem befindet er sich selbst in einer
Umbruchphase, will er doch mit seiner Freundin Angela nicht nur in eine
gemeinsame Wohnung einziehen, sondern sieht mit ihr gemeinsam auch noch
elterlichen Freuden und Aufgaben entgegen. Als schließlich in
nächster Nähe Winter's neuer Wohnung ein grausamer Doppelmord
von einem Zeitungsjungen entdeckt und gemeldet wird, sorgt das bei dem
Routinier doch für innere Anspannung und Unruhe, zumal auch noch
Angela nebenbei von merkwürdigen Stalker-Anrufen berichtet.
In erstaunlicher äußerlicher Gelassenheit ermitteln Winter
und seine Kolleginnen und Kollegen in dem skurrilen Fall. So eine Situation
gab es noch nie: bei den Opfern, einem bis dato unauffälligen Ehepaar
wurden die Köpfe abgetrennt und vertauscht wieder aufgesetzt, in
einer Endlosschleife lief so genannte "Black Metal"-Musik
oder wie es von Winter eingeordnet wurde: Lärm. Die Bedeutung dieses
Identitätstausches beschäftigt selbstredend die Psychologen
und Deutungsprofis der gesamten Kriminalistenschaft.
Gemächlich scheint sich alles weiter zu entwickeln, ohne wirkliche
Fortschritte zu konstatieren. Winter grübelt und untersucht, bespricht
sich und deutet. Stets erkennt man seine durch eigene private Sorgen
verursachte Lähmung. Eine deutlich melancholische Stimmung legt
sich über die Geschichte und die Leserin oder den Leser. Ohne Zusammenhang,
als den Alltag beschreibendes Beiwerk sozusagen, erzählt der Autor
weitere Erlebensstränge von den Erziehungsschwierigkeiten einer
Kollegin im psychologischen Dienst, zwei eher unwichtigen Streifenpolizisten,
der deprimierenden väterlichen, durch ständigen Alkoholmissbrauch
provozierten und genährten Gewalt gegen dessen Sohn oder den familiären
Problemen eines weiteren Kollegen. Es ist eben das ganz normale Leben,
das ausgezeichnet analysiert klar dargestellt wird. Gleichzeitig verbirgt
sich in der Beschreibung eine vorsichtige Gesellschaftskritik, die jedoch
in der stillen Anklage verharrt.
Die wenigen Einblicke in die Gedankenwelt des Mörders, die vorsichtig
in die Handlung eingestreut etwas Spannung erzeugen, sind jedoch zu
undeutlich und kaum in Verbindung mit der Tat oder den Geschehnissen
zu bringen. Es kostet Mühe, sie zu entschlüsseln oder Hinweise
auf den Täter oder Tat daraus abzuleiten.
Der oftmals unvermittelte Szenenwechsel erzeugt nicht die offensichtlich
gewollte Spannung, eher schon eine innere Unruhe und distanziertes Unverständnis.
Fast scheint es so, dass es mehr um die Einsichten in das Seelen- und
Privatleben des Kommissars geht, als um die Aufklärung eines abartigen
Mordfalles. Dabei hätte das verheimlichte Schattenleben der Toten,
deren geheim gehaltenen sexuellen Vorlieben und Bekanntschaften über
ein Sexkontaktheft einiges mehr hergegeben.
Leicht fintenreich legt der Autor eine Fehlspur, der man mehr oder weniger
glaubend nachläuft, um schließlich am Ende - erwartungsgemäß
- sich doch einer ganz anderen Lösung gegenüber sieht. Allerdings
ausgesprochen unverständig und überrascht. Irgendwie bleibt
man verwirrt zurück, logisch unbefriedigt, da manche umfassend
geschilderten Begebenheiten ohne jegliche Bedeutung bleiben, keine Verbindungen
oder Zusammenschlüsse erkennbar sind. Es fehlt eine Einsicht in
die Motivlage des Täters und weshalb Angela entführt wurde,
wohin und weshalb, bleibt ebenfalls offen und der Phantasie der Leserschaft
überlassen.
Wer schon mehr von diesem Autor gelesen hat, zieht diesen Schluss noch
eher im Vergleich mit den weit besseren Texten, die Edwardson schon
bot, für sich gesehen ist "Das vertauschte Gesicht" ein
guter Kriminalroman, der jedoch ohne erregende Ambitionen als durchschnittlich
spannend eingestuft werden muss.
Vielen Dank an Uli Geißler,
Freier Journalist und Autor aus Fürth / Bayern
© September 2005 Redaktionsbüro Geißler für das Literaturportal
schwedenkrimi.de |
"Der
Jukebox-Mann" von Åke Edwardson
Zeitreise durch Småland - Åke Edwardson hat einen Nostalgie-Roman
geschrieben
Es ist 1964 und Johnny Bergman wird 35. Mehr als zehn
Jahre ist er durch Småland gefahren, hat Jukeboxen ausgestellt,
bestückt und repariert. Die Jukebox, die Anfang der 50er eine echte
technologische Innovation war, ist dabei, Geschichte zu werden. So wie
auch Johnnys Arbeit, so wie auch die kleinen Caféstellen, in
denen Johnny seine Jukeboxen ausstellt. Johnny ist sich dieser Tatsache
nur allzu schmerzhaft bewusst und steht somit an einem Scheideweg. Was
bringt die Zukunft? Wie lässt sich Zukunft gestalten? Noch kämpft
Johnny dabei mit den Geistern der Vergangenheit wie Alkoholismus und
ein verschwundener Bruder. Eine feste Beziehung hat Johnny nicht. Dafür
aber etliche One-Night-Stands (die damals freilich noch nicht so hießen).
Doch verbindet ihn eine tief empfundene Freundschaft zu seiner Ex-Freundin
Elisabeth und ihrem Sohn Lennart. Dessen Vater hat sich erst vor kurzem
aus dem Staub gemacht, und Lennart braucht dringend ein männliches
Vorbild, eine Vaterfigur. Zögerlich, aber kontinuierlich, übernimmt
Johnny die Rolle, und aus Freundschaft wird bald Liebe.
Nach Håkan Nesser hat jetzt also auch Åke Edwardson seinen
Nostalgie-Roman geschrieben! Wie auch Håkan Nesser, dessen Romane
"Kim Novak badetet nie im See Genezareth" und "Und Piccadilly
Circus liegt nicht in Kumla" in Närke spielen, in der Landschaft
also, in der Håkan Nesser aufwuchs, so kehrt auch Åke Edwardson,
der heute in Göteborg lebt, in das Land seiner Kindheit und Jugend
zurück. Denn wie sein Protagonist Johnny ist auch Åke Edwardson
in Småland aufgewachsen, wo sein Vater in Vrigstad eine Konditorei
betrieb, in der - natürlich - eine Jukebox stand. Anders aber als
in Nessers nostalgisch-melancholischen Erzählungen vom Erwachsenwerden
gibt es bei Åke Edwardsons "Jukebox-Mann" kein Mordrätsel
zu lösen. Auch hat Johnny mit bald 35 die Pubertät eigentlich
schon hinter sich. Doch heißt das ja nicht, dass die Probleme
weniger werden.
Melancholie, Sehnsucht und Sentimentalität durchdringen den Roman
in jeder Phase. Sicher nicht zufällig wird der Sommer '64 dabei
immer wieder als der Sommer beschworen, der so gar nicht richtig in
Schwung kommen will. Abschied manifestiert sich so im zu kühlen
Sommer, der schon vorbei ist, ehe er eigentlich begonnen hat. Daneben
ist "die letzte Saison" Johnnys die dominante Metapher für
das unwiderrufliche Ende einer Zeitepoche, eines Lebensstils und einer
Weltauffassung. Dabei wird Edwardson nicht müde, diese beiden Metaphern
immer wieder zu zitieren, doch gelingt die Gradwanderung. Edwardson
läuft nicht Gefahr, vor lauter Nostalgie die eigentliche Geschichte
aus dem Blick zu verlieren.
Die Menschen, denen Johnny auf seiner Tour durch Småland begegnet,
sind durchweg ein wenig seltsam, eigenbrötlerisch und nicht zuletzt
tragisch. Auch sie scheinen mit "der letzten Saison" zu verschwinden.
Um manche ist es sicher schade, auf anderes, wie Intoleranz und Borniertheit,
können wir sicher verzichten, doch merkt man den Charakteren an,
dass Edwardson sie und seine Erzählung mag. So erfährt Johnny
- und mit ihm der Leser - nicht nur im metaphorischen, sondern auch
im ganz konkreten Sinn, die småländische Landschaft und ihre
Menschen. Das ist von suggestiver Kraft, die berührt. "Der
Jukebox-Mann" erzählt mit warmer, melancholischer Stimme die
Geschichte eines Mannes und seines Landes, das Schritt für Schritt,
Kilometer für Kilometer, verschwindet.
Im Klappentext der schwedischen Ausgabe heißt es dazu folgerichtig,
"Der Jukebox-Mann" sei ein Roman über "das Land,
in dem wir einst lebten."
Damit ist "Der Jukebox-Mann" nicht nur eine äußerst
nostalgische Erzählung, sondern vor allem auch eine sehr schwedische,
in der lokale Heroen, Gegeben- wie Besonderheiten (wie Isterband) eine
große Rolle spielen, allein schon, um die nötige Atmosphäre
und Stimmung zu schaffen. Dennoch ist der Roman ganz sicher auch etwas
für deutsche Leser, denn trotz aller Nostalgie mit landestypischem
Einschlag, die den Roman kennzeichnet, ist "Der Jukebox-Mann"
auch eine Geschichte, die von Hoffnung, Liebe und Freundschaft erzählt.
Von dem, was wir an den 50er/60er Jahren vermissen sollten und was nicht,
und damit beansprucht der Roman über das Nostalgische hinaus Allgemeingültigkeit.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© August 2004 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Segel
aus Stein" von Åke Edwardson
Mordsmäßige Vergangenheitsbewältigung
Voller gespannter Erwartung liest man sich in das Buch
hinein und hofft auf ein aufregendes Krimiereignis. Doch allein, genau
das fehlt. In einem gefühlvollen und bildhaften Erzählstil
verliert sich der Autor leider in lähmenden Unbedeutsamkeiten.
Es ist kein richtiger Krimi, den man da liest. Einerseits erfährt
man etwas über die Sorgen einer "Ex-Geliebten" des Kommissar
Winter, die er eher durch Zufall wieder trifft und andererseits gilt
es für den Kriminalisten um die Hintergründe bzw. den Beweis
einer vermutlich mehrfachen Misshandlung einer Frau. Erst nach und nach
entsteht aus der Mitteilung seiner früheren Freundin eine dienstliche
Aufgabe.
Beide Fälle haben miteinander nichts zu tun und das bleibt auch
bis zum Ende der Geschichte so. Als Erzählung reiht sich Eins ans
Andere, aber kriminalistisches Kalkül spürt man zu wenig.
Dabei bieten die Grundideen beider "Fälle" schon genug
Grundlage für einen spannenden Plot, finde ich: Ein Hinweis auf
eine lange verschwundene, letztlich tot geglaubte Person per anonymen
Brief und eine ziemlich sicher stattgefundene Misshandlung einer plötzlich
ebenfalls unauffindbaren anderen Person - da steckt doch jede Menge
an Erzählstoff im Detail.
Åke Edwardson erstellt akribisch seine Psychogramme und so kann
man sein aktuelles Buch als biographischen Hintergrund seiner aus früheren
Romanen bekannten Figuren wie Kommissar Erik Winter, Lars Bergenheim
oder dessen afrikanisch-schwedische Kollegin Aneta Djanali nutzen und
darauf hoffen, dass es beim nächsten Mal wieder knackiger kriminalistisch
wird. Klar liest man auch die wenig aufregenden und irgendwie auch sehr
melancholisch anmutenden individuellen Hintergründe als zur Geschichte
gehörend mit, aber es "funkt" zu wenig. Man wird nicht
in den sonst so gut funktionierenden, detektivischen Bann gezogen. Irgendwie
bleibt man lange, lange unbeteiligt.
Erst als gegen Ende - endlich - ein Toter gefunden wird, keimt verhaltene
Spannung auf. Gemeinsam mit seinem schottischen Kollegen recherchiert
Winter weiter und versucht im Team die Aufklärung. Wie wird alles
zusammen hängen, welche Hinter- oder Abgründe tun sich auf
und was ist wirklich das grausame Geschehen, zu welchem immer mal wieder
in die Vergangenheit geblickt wird? Einige Textstellen stehen in Englisch
da und werden nicht - auch nicht als Fußnote - übersetzt.
Moderne Menschen mögen damit in der Regel kein Problem haben, dennoch
hätte eine Übersetzung an irgendeiner Stelle für Sicherheit
oder Verständnis gesorgt. Insgesamt finde ich die neueste Geschichte
Edwardsons eher enttäuschend, wenngleich sie erzählerisch
durchaus auf hohem Niveau abgefasst ist.
Es ist nur zu hoffen, dass sich der "Creative Writer" wieder
seiner Fähigkeiten besinnt, spannende Handlungsstränge zu
entwickeln und sie am Schluss sinnvoll miteinander zu verknüpfen
und eine nachvollziehbare Auflösung zu erzeugen.
Vielen Dank an Uli Geißler,
Freier Journalist und Autor aus Fürth / Bayern
© Juli 2004 Redaktionsbüro Geißler für das Literaturportal
schwedenkrimi.de |
"Segel
aus Stein" von Åke Edwardson
Einmal Schottland und zurück
Um es gleich vorwegzunehmen und auch wenn es abgedroschen
klingen mag, mit "Segel aus Stein" ist Åke Edwardson
ein Meisterwerk gelungen.
Als Leser trifft man auf einen guten alten Bekannten, Steve Macdonald
aus "Tanz mit dem Engel". Und wieder einmal verlässt
Winter schwedischen Boden, um einen Fall aufzuklären. Dieses Mal
verschlägt es ihn nach Schottland, genauer in die Nähe von
Loch Ness in den schottischen Highlands. Der Grund: Winters Jugendliebe
Johanna Osvald bittet ihn nach ihrem in Schottland verschwundenen Vater
Axel Osvald zu suchen. Dieser hatte sich auf die Suche nach seinem eigenen
Vater John gemacht, der in den Wirren des 2. Weltkrieges als Fischer
auf einem Boot verschollen war. Als Axel Osvalds Leiche gefunden wird,
macht sich Winter auf nach Schottland, wo er sich gemeinsam mit Steve
Macdonald auf die Spuren des alten Osvald begibt.
Dieser Roman unterscheidet sich auf erfrischende Art und Weise von anderen
Kriminalromanen, denn es dominiert nicht das Laute, die Gewalt, sondern
das Leise, Rätselhafte. Gleichwie Winter, kaum in Schottland angekommen,
über die Zusammensetzung eines Malt-Whiskeys sinniert, so sinniert
man als Leser über die
Zusammenhänge von Gegenwart und Vergangenheit, von Schuld und Sühne.
Obwohl Winter und Macdonald am Ende fündig werden und den alten
John Osvald aufspüren können, bleibt vieles vage. Gerecht
werden kann man diesem Roman aber nur, wenn man auch den zweiten Handlungsstrang
nicht unerwähnt lässt. Aneta Djanali stößt auf
einen Fall von Misshandlung in der Ehe, der sie umtreibt. Auch hier
ist "nichts wie es scheint" - und damit werden die beiden
Fälle verknüpft, denn dies ist das Zitat aus einem anonymen
Brief an Axel Osvald, der ihn nach Schottland führte. Der besorgte
Vater der misshandelten Frau entpuppt sich selbst als gewalttätig;
die Schwester des Ehemanns spielt ein doppeltes Spiel und der Ehemann
entzieht sich allen Verdächtigungen. Halders, wie immer Aneta Djanali
zur Seite stehend, unterstützt sie auch in diesem Fall. Die hoffnungslose,
gleichsam lakonische Stimmung, die diesen Roman durchzieht, lässt
sich vielleicht am besten mit Hilfe von Lucinda Williams' Song "Blue"
nachvollziehen, den Halders eines Abends hört. "Blue"
heißt nämlich soviel wie schwermütig und kann sinnbildlich
für die Stimmung des Romans verstanden werden.
Damit einem am Ende die Schwermut nicht übermannt, endet "Segel
aus Stein" hoffnungsvoll, sowohl für Winter als auch für
uns, die wir ihm so nah sein durften.
Vielen Dank an unsere Rezensentin Katja Perret.
© Dezember 2003 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"In alle
Ewigkeit" von Åke Edwardson
Wenn die Vergangenheit Fortschritte schafft
Nach der Lektüre dieses Buch des schwedischen
Spezialisten psychologisch ausgeklügelter Kriminalgeschichten will
man mehr. In der diffizilen und anschaulichen Beschreibung der Überlegungen
des Kommissars, aber auch in der stets nachdenklichen Stimmung der Mordfälle
steckt viel Privates, Persönliches. Zurückhaltend, aber vorausschauend
begibt sich der eigentlich sehr familiäre Kommissar auf die Suche
nach dem Mörder. Schon bald stellt man selbst Vermutungen an, die
jedoch nie bestätigt werden. Der Chefermittler will den Fall selbst
lösen. Das spüren auch seine Kollegen, die miträtseln,
Fragen stellen und ihn nach Kräften unterstützen. Klug nutzt
Winter seine Verbindungen zur Unterwelt. Dann zeigt sich, dass die Deutung
kleinster Details einer augenfälligen, aber falschen Spur plötzlich
doch zur richtigen Erkenntnis führen. Anhaltend spannend.
Vielen Dank an Uli Geißler,
Freier Journalist und Autor aus Fürth / Bayern
© 2002 Redaktionsbüro Geißler für das Literaturportal
schwedenkrimi.de |
"Der Himmel
auf Erden" von Åke Edwardson
Wenn Wege sich kreuzen
Beschaulich und doch in einer Weise beklemmend, dass
man fast nur bei offenen Fenster lesen möchte, erzählt der
Autor die zweigleisige Geschichte. Dabei dringt er in die Gedankenwelt
des Kommissars aber auch die ganz persönliche, familiäre Seite
des Kriminologen ein. Im Unterschied zu ihm bekommt man auch die emotionale
Befindlichkeit und Überlegungen eines der zwei gesuchten Täter
beschrieben. So baut sich doppelte Spannung auf, die bis zum Schluss
hält. Die beiden Aufklärungslinien sind stets präsent
und es gelingt dem Erfolgsautoren, einen bei der Verbrecherjagd teilhaben
zu lassen. Gegen Ende begreift man immer mehr von den verborgenen Zusammenhängen
und beginnt zu verstehen, wie die Dinge wirklich liegen. Dennoch oder
gerade deswegen bleibt die psychologische Geschichte bis zur letzten
Zeile anhaltend spannend.
Hervorragend, was Herr Edwardson da wieder abgeliefert hat.
Vielen Dank an Uli Geißler,
Freier Journalist und Autor aus Fürth / Bayern
© 2002 Redaktionsbüro Geißler für das Literaturportal
schwedenkrimi.de |
"In alle
Ewigkeit" von Åke Edwardson
Ein Kommissar, drei Morde und keine Zigarillos mehr!
Es ist Sommer in Göteborg, ein ungewöhnlich
heißer Sommer. In einem Park werden innerhalb weniger Wochen zwei
junge Frauen vergewaltigt und ermordet, eine Dritte kann ihrem Peiniger
lebend entkommen. Haben diese Verbrechen etwas mit dem bis dahin unaufgeklärten
Mord an Beatrice Wägner zu tun, die an exakt derselben Stelle fünf
Jahre zuvor vergewaltigt und ermordet wurde? Kommissar Winter denkt
und arbeitet sich noch einmal diese fünf Jahre zurück, während
er gleichzeitig versucht, die neuen Verbrechen zu klären.
"In alle Ewigkeit" ist der vierte Roman Åke Edwardsons
um Kommissar Erik Winter. Mit schlafwandlerischer Sicherheit führt
Edwardson/Winter uns durch das sommerliche Göteborg und durch das
Seelenleben vier vergewaltigter und (drei) ermorderter junger Frauen
sowie deren Mörder.
Der Erzählstil ist noch minimalistischer geworden, ohne an Stimmung
und Atmosphäre einzubüßen. Im Gegenteil versteht es
Edwardson sehr gut, sich in die Gefühlswelt junger Mädchen,
die gerade mit der Schule fertig sind und einen unendlich langen Sommer
vor sich haben, einzufühlen, dem Leser transparent zu machen und
eine Sphäre jugendlich-sommerlicher Sorglosigkeit zu schaffen,
die in starken Kontrast zu den Verbrechen steht. Nicht zuletzt deshalb
liegt ein Hauch Melancholie über der gesamten Erzählung, die
auch sonst psychologisch dicht beschrieben ist. Hat Edwardson sich in
den drei vorangegangenen Winter-Romanen mit der Stadt Göteborg
als Mittelpunkt sein physisches Universum geschaffen, tritt hier das
psychologische in den Vordergrund. Das gilt nicht nur für die Psychologie
der Mädchen, sondern vor allem auch für die der Mörder
– denn am Ende wird der Leser drei Tätern gegenüberstehen.
Jeder hat seine Gründe für die Taten, aber letztlich eint
sie alle ein Motiv: Geistesgestörtheit – Die erklärt
zugleich alles und gar nichts, wie es an einer Stelle im Roman treffend
heißt. Aber sie regt zum Nachdenken an, zum Nach-Denken im wahrsten
Sinn des Wortes nach Beendigung des Krimis. Die äußere Konstruktion
der Verbrechen scheint so simpel wie die innere ineinander verschlungen
ist. Souverän und spannend erzählt, zeigt Edwardson die Verstrickungen,
in denen Opfer und Täter sich befinden.
Die Figur des Erik Winter gewinnt mit jedem neuen Fall ebenfalls an
Kontur und unterscheidet sich in vielem von einem anderen großen
schwedischen Kommissar. Dennoch beschäftigen auch Winter Fragen
existentieller Art, nicht zuletzt, da er nun eine 15 Monate alte Tochter
hat. Aber (noch?) lässt Winter sich nicht unterkriegen und beißt
sich erfolgreich auch durch diesen vierten Fall, obwohl er auf seine
geliebten Corps verzichten muss!
[ Die Rezension bezieht sich auf die schwedische Originalausgabe. ]
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© 2002 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Das vertauschte
Gesicht" von Åke Edwardson
Nur ein paar Häuser weiter von Kommissar Erik
Winters Wohnung entfernt geschieht ein grausamer Mord an eine Ehepaar.
Allen im Team der Göteborger Mordkommission ist bald klar, dass
es sich um einen schwer gestörten Täter handeln muss, erst
recht, als dieser beginnt, Winter selbst aufzulauern.
Bewertung:
Åke Edwardsons Buch ist der dritte Fall von Kommissar Erik Winter.
Dieser Krimi ist leider keine spannende Angelegenheit, sondern ein abwechslungsreicher
Zeitvertreib. Kühl und mit wenig spannenden Passagen plätschert
der Krimi seicht vor sich hin.
Vielen Dank an Silke Stücker
© 2002 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"In alle
Ewigkeit" von Åke Edwardson
Böse Erinnerungen werden in Kommissar Winter wach,
als in einem Göteborger Park das Mädchen Jeanette vergewaltigt wird.
Fünf Jahre zuvor wurde an der gleichen Stelle ein anderes Mädchen vergewaltigt
und stranguliert. Die Ähnlichkeit der Vorgehensweise und der selbe Ort
können kein Zufall sein. Noch am Anfang der Ermittlungen geschieht dann
das Unvermeidliche: Wieder wird an besagter Stelle ein Mädchen vergewaltigt
und wieder wird es stranguliert.
Ist der Mörder von damals zurückgekehrt um eine Serie fortzusetzen oder
handelt es sich um einen Trittbrettfahrer, der die Gunst der Stunde
nützte? Auch der ständig unter Alkoholeinfluß stehende Vater der vergewaltigten
Jeanette, die überlebt hat, scheint etwas zu verbergen. Kommissar Winter
und sein Team haben alle Hände voll zu tun, als völlig unerwartet Kommissar
Halders Ex- Frau bei einem Autounfall getötet wird. Halders, der sich
nun um seine zwei Kinder zu kümmern und mit finanziellen Nöten zu kämpfen
hat, verfolgt eine heiße Spur und gerät dabei in größte Gefahr.
"IN ALLE EWIGKEIT" ist ein flüssig geschriebener Krimi
indem hauptsächlich zwei Kommissare, nämlich Winter und Halders als
Hauptfiguren vorkommen. Eine Spur Melancholie, die sowohl durch die
verunglückte Ex- Frau als auch durch die immer wieder verschiedenen
vorkommenden Musiksongs vermittelt wird, steht in Edwardsons Krimi im
Vordergrund.
Die Spannung spitzt sich so zu, dass erst im allerletzten Satz, ja Wort,
ein wichtiger Teil in Edwardsons Roman aufgelöst wird...
Vielen Dank an Helmut Schlatzer aus Graz
© 2002 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
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